Die Los Angeles Chargers haben in der bisherigen Offseason der NFL sicherlich mit Head Coach Jim Harbaugh den dicksten Fisch an Land gezogen. Dessen Wahl von Greg Roman als Offensive Coordinator stieß jedoch durchaus auf Kritik. Und Romans jüngste Aussagen bestätigen gewisse Sorgen nur noch. Ein Kommentar.
Die Chargers hatten 2020 das große Glück, mit Justin Herbert einen der besten jungen Quarterbacks der NFL im Draft zu ziehen. Seither ist das große Thema an der Westküste, wie man dessen Fähigkeiten am besten maximieren kann, um das Team endlich konstant erfolgreich zu machen. Das allerdings gelang bislang eher nicht.
In vier Jahren mit Herbert erreichte man genau einmal die Playoffs (2022) und warf dann in Jacksonville eine 27:0-Führung aus dem Fenster. Natürlich war auch die Defense vom damaligen Head Coach Brandon Staley mitverantwortlich dafür, doch unterm Strich darf man schon behaupten, dass der damalige Offensive Coordinator Joe Lombardi mit seinem Dink-and-Dunk-Ansatz Herbert wie einen Ferrari behandelte, mit dem er nicht schneller als 70 km/h fuhr. Auch die eine Saison mit Kellen Moore brachte nur bedingt Besserung, was aber vor allem mit großem Verletzungspech im Receiving Corps zusammenhing.
Mit Harbaugh sollte nun endlich Besserung eintreten, zumal dieser als früherer langjähriger NFL-Quarterback natürlich einen ganz anderen Draht zu QBs hat als viele andere. Doch dann stellte er Greg Roman als Offensive Coordinator ein. Jener Greg Roman, der auch schon OC unter Harbaugh bei den San Francisco 49ers war, die mit Colin Kaepernick als Quarterback den Super Bowl erreichten. Der Roman, der auch bis 2022 für Lamar Jackson in Baltimore zuständig war.
Chargers: Roman steht fürs Run Game
Dessen Steckenpferd ist allerdings bekanntermaßen das Run Game. Mit dem Passspiel hingegen hat er nicht allzu viel am Hut. Das deutete er nun auch gegenüber Reportern am Donnerstag an. "Können Sie sich Justin Herbert mit einer großartigen Rushing Offense vorstellen? Wir wissen es nicht, aber ich kann mir vorstellen, wie es aussehen würde. Und das ist gewissermaßen die Vision."
Gegenfrage: Will man sich das vorstellen?! "Establish the Run" ist 2024 eigentlich ein Relikt grauer Vorzeit, als man es einfach noch nicht besser wusste. Doch jetzt ist doch eigentlich bekannt, dass es viel effizienter ist, ein großartiges Passspiel zu haben mit einem Run Game, das höchstens als Komplementär zu verstehen ist. Romans Aussagen hingegen suggerieren schon wieder, dass er im Idealfall Herbert den Ball aus der Hand nehmen will.
Roman fuhr fort: "Ich denke, dass man in dieser Liga wirklich helfen kann, die Defense zu diktieren, wenn man einen starken Run-Angriff hat. Wenn du wirklich mit den meisten Defensive Coordinators in dieser Liga sprichst und sie zur Seite nimmst, wenn sie gegen ein richtig gutes Run Game spielen, dann schwitzen sie ein wenig. Sie schlafen ein bisschen weniger in dieser Woche."
Sätze, die man 2024 wirklich nicht mehr erwarten würde. Als hätte Roman die letzten Jahre unter einem Stein verbracht. Run Game kann ein Mittel zum Zweck sein, doch kann es keine Offense mehr tragen. Jedenfalls keine, die unterm Strich erfolgreich sein will. Glaubt ernsthaft jemand, dass die Chiefs den Super Bowl wegen Isiah Pacheco gewonnen haben? Christian McCaffrey hatte großen Anteil am Erfolg der 49ers, doch ohne Purdy, der diese Offense öffnet, wird auch CMC wirkungslos. Haben die Ravens, die viele Rushing Yards unter Roman gesammelt haben, in dessen Zeit dort jemals den Top-Seed der Conference gehabt? Oder kam das erst nachdem mehr über Jacksons Passspiel kam?
NFL: Roman selbst bei den Ravens nicht effizient
Und dabei sollte man nicht ignorieren, dass Romans Run Game schon bei den Ravens nicht unbedingt effizient war. Wie Analytics-Experte Warren Sharp ermittelte, hatten die Running Backs der Ravens 2022 unter Roman als OC die zehnthöchste Stuff-Rate der NFL. Stuffs sind Runs, die an der Line of Scrimmage oder schon dahinter gestoppt werden, also keinen positiven Raumgewinn erzeugen. Unter seinem Nachfolger Todd Monken hatten die Ravens-Running-Backs dann die siebtniedrigste Rate der NFL.
Zudem lag Romans Success Rate 2022 bei Runs in frühen Downs gegen Heavy Boxes (sieben und mehr Verteidiger in der Mitte), die sie in 81 Prozent der normalen Runs sahen, bei 36 Prozent. Monkens Offense sah Heavy Boxes 2023 in nur 73 Prozent in solchen Situationen und kam auf eine Success Rate von 40 Prozent. Success Rate zeigt, wie viele Plays positive Resultate liefern, also statistisch dabei helfen, neue First Downs zu erzielen. Eine hohe Success Rate ist ein guter Indikator dafür, dass eine Offense den Ball konstant bewegt.
Will sagen: Selbst mit der wohl am besten bestückten Run-Offense der Liga hatte Roman keinen sonderlich großen Erfolg, während er dem Passspiel durchaus im Weg stand, weil ihm hier seit jeher keine nennenswerten Lösungen einfallen.
Und dieser Roman soll nun Herberts grandiosen Arm maximieren, um die Chargers in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Ich bleibe skeptisch.
Marcus Blumberg




































