Seit über 100 Jahren und beinahe zeitgleich mit der Gründung der National Football League treffen die Chicago Bears und die Green Bay Packers in regelmäßigen Duellen aufeinander. Die lokale Nähe im Norden am Lake Michigan und die spielerische Qualität über alle Dekaden hinweg machen dieses Duell zur ältesten und aufregendsten Rivalität der NFL.
Über viele Jahrzehnte verteidigten die Bears einen Vorsprung in der Bilanz der Allzeit-Serie. Doch Quarterback Aaron Rodgers leitete den Wandel ein und eroberte mit seinen Mitspielern in den letzten Jahren die Führung. Seit sechs Jahren führen die Packers die Serie an.
Doch am Sonntag spielt Green Bay gegen Chicago im heimischen Lambeau Field ohne Ex-Star Rodgers um das letzte Playoff-Ticket in der NFC. Jordan Love trifft dann auf den mobilen Playmaker Justin Fields. Die 208. Partie zwischen den Packers und den Bears wird ab 22:25 Uhr live im Free-TV bei RTL übertragen und verspricht aufgrund der Rivalität eine ganz besondere zu werden.
Aaron Rodgers: "Besitzer" der Chicago Bears
Aaron Rodgers erlebte gegen Chicago viele besondere Momente und alle waren durchweg positiv. Vor 13 Jahren besiegte er die Bears im NFC Championship Game und gewann anschließend seinen ersten und auch einzigen Super Bowl. 2013 konnten die Packers dann am letzten Spieltag mit einem Comeback kurz vor Schluss und einem fast schon legendären tiefen Pass über die Mitte für 48 Yards auf Randall Cobb noch den Einzug in die Playoffs festmachen.
Für die Bears war der spielentscheidende Touchdown nur wenige Sekunden vor Schluss der Anfang einer zehn Jahre anhaltenden Odyssee. Drei Head Coaches und zwei General Manager, sowie 14 unterschiedliche Starting Quarterbacks verschlang das legendäre Franchise in den nächsten zehn Jahren. Nur zweimal wurden die Playoffs erreicht. Ein Sieg in der Postseason gelang dem mehrfachen Meister aber bis heute nicht.
Die Medien sahen sich ob der anhaltenden Dominanz von Aaron Rodgers irgendwann dazu bereit, ihn zum heimlichen "Besitzer" der Chicago Bears zu erklären, was Rodgers gern aufgreift. Denn seit sechs Jahren halten die Packers, vor allem dank ihres zukünftigen Hall-of-Fame-Quarterbacks, die Führung in der Allzeit-Serie und konnten diese auf 106 Siege bei 95 Niederlagen und fünf Unentschieden ausbauen. Neun Spiele in Folge entschied Green Bay in der lange Zeit hart umkämpften Rivalität zuletzt für sich.
Justin Fields neuer Hoffnungsträger
Doch damit soll jetzt Schluss sein. Justin Fields wurde vor zwei Jahren an zehnter Stelle im NFL Draft von den Chicago Bears ausgewählt. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten und einer fortwährenden Diskussion darüber, ob Fields der richtige Quarterback für die launische Diva aus der Windy City sei, hat er sich in den letzten Wochen nach seiner Verletzung regelrecht in Form gespielt.
Seit seiner Rückkehr vor sechs Wochen erzielte Fields im Schnitt über 200 Passing Yards durch die Luft und weitere 65,5 Yards am Boden pro Spiel. Acht Touchdowns erzielte er in dieser Zeit, warf allerdings auch drei Interceptions und verlor sechs Mal durch Fumbles den Ball.
Ersteres bringt die Fans nun ins Schwärmen. Sie setzen große Hoffnung darauf, dass Fields der neue Hoffnungsträger in Chicago sein könnte, den das Franchise so lange vermisst. Andere blicken auf die Turnover und den gerade von den Carolina Panthers erhaltenen First Overall Pick im kommenden Draft und wünschen sich eine weitere Veränderung auf der wichtigsten Position im American Football.
Vor allem das Spiel gegen Green Bay bekommt dadurch eine ganz besondere Bedeutung. Denn der Ausgang der Partie wird in Chicago die Sportnachrichten der nächsten Wochen bestimmen und dementsprechend Stimmung für oder gegen seinen Quarterback machen. Das sollte General Manager Ryan Poles bei den vielen wichtigen Entscheidungen, die er in dieser Offseason zu treffen hat, zwar nicht beeinflussen, doch wird auch das Schicksal von Head Coach Matt Eberfluss ein Stück weit mit dem Ausgang des Rivalry Games am Sonntag verknüpft werden.
Green Bay Packers mit neuem Anführer
Die Chancen für einen Sieg stehen so gut, wie schon lange nicht mehr. Denn Green Bay hat sein Gesicht seit dem Abgang von Aaron Rodgers verändert. Ihr neuer Quarterback Jordan Love hat viele junge Receiver um sich geschart und damit einen ausgeglichenen Record von 8-8 hingelegt.
Das Team kämpft trotz desolater Abwehrleistungen in den vergangenen Wochen, als man gegen die Carolina Panthers und die Tampa Bay Buccaneers jeweils über 30 Punkte zuließ, um den Einzug in die Playoffs. Ein Sieg gegen Chicago und sie wären drin. Für Jordan Love und seine Packers steht deshalb viel auf dem Spiel.
Der 25-jährige Quarterback ist nur ein halbes Jahr älter als Justin Fields und konnte ebenfalls vier seiner letzten sechs Spiele gewinnen. Er brachte es in dieser Zeit ebenfalls auf über 260 Total Yards pro Spiel und sorgte sogar für 16 Touchdowns, wobei er nur eine Interception warf.
Auch in Love hoffen die Verantwortlichen das neue Gesicht der Franchise gefunden zu haben und seine in der zweiten Saisonhälfte gezeigten Leistungen lassen vermuten, dass er das sein kann. Doch für ihn gilt genauso, dass der Ausgang des bisher wichtigsten Spiels des Jahres definiert, was die Öffentlichkeit in den nächsten Monaten über ihn denkt.
Für beide steht viel auf dem Spiel
Triumphieren die Green Bay Packers erneut über die Chicago Bears, ziehen sie in die Playoffs ein und Jordan Love wird endgültig die Wachablösung nach der Aaron-Rodgers-Ära einleiten. Für Justin Fields würde eine deutliche Niederlage das Aus in Chicago bedeuten.
Im Gegenzug wäre ein glorreicher Sieg von der Nummer Eins der Bears gleichbedeutend mit seinem Verbleib. Wenn Justin Fields die Kehrtwende in einer seit Jahren für Chicago verlorenen Rivalität vollzieht, können die Entscheidungsträger nicht anders und werden ihn genauso behalten, wie seinen Cheftrainer Eberflus. Doch dazu wäre der erste Sieg der Bears im Lambeau Field seit über acht Jahren nötig.
Für beide Quarterbacks und ihre Teams steht viel auf dem Spiel. Am Sonntag geht es nicht ausschließlich um die Frage, ob die Green Bay Packers in die Playoffs einziehen, sondern auch um die Zukunft der Rivalität und wer in den kommenden Jahren die Chicago Bears auf Quarterback und auf dem Posten des Head Coaches anführt. Es ist damit angerichtet für ein hoffentlich weiteres legendäres Kapitel in der ältesten Rivalität der NFL.
Philipp Forstner



































