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Formel-1-Zeugnis von Christian Danner

"Katastrophale Voll-Enttäuschungen" und "Racing Animals"

Fernando Alonso, Max Verstappen und Lewis Hamilton drückten der Formel-1-Saiosn 2023 ihre Stempel auf
Fernando Alonso, Max Verstappen und Lewis Hamilton drückten der Formel-1-Saiosn 2023 ihre Stempel auf
Foto: © IMAGO/Gongora
28. November 2023, 23:26
sport.de
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Die Stoppuhren sind angehalten, die Formel-1-Saison 2023 Geschichte, Zeit für eine Bilanz. Gemeinsam mit F1-Experte Christian Danner stellt sport.de allen Piloten und Teams ein Zeugnis aus. Los geht's mit den Top 10 der Fahrer-WM - von denen längst nicht alle gut wegkommen.

Platz 10: Lance Stroll, Aston Martin, 74 Punkte

Der Kanadier stand bei Aston Martin klar im Schatten von Stallkollege Fernando Alonso. Während der Spanier gerade in der ersten Saisonphase gewaltig punktete, patzte Stroll immer wieder - teils haarsträubend und unerklärlich. "Er war über das ganze Jahr natürlich eine komplette, katastrophale Voll-Enttäuschung", urteilt Danner: "Mit Ausnahme der letzten Rennen, als das Auto wieder halbwegs vernünftig zu fahren war."

Platz 9: Oscar Piastri, McLaren, 97 Punkte

Piastri kam in seinem ersten Formel-1-Jahr auf Anhieb zurecht, machte Garagen-Nachbar Lando Norris in der zweiten Hälfte der Saison Feuer unterm Hintern. Highlight des Australiers: sein Sieg im Sprint von Katar. "Einen Rookie von einer derartigen Qualität gibt es nur alle zehn Jahre in der Formel 1", adelt Danner den 22-Jährigen: "Potentiell absolute Weltspitze."

Platz 8: George Russell, Mercedes, 175 Punkte

"Er kam dieses Jahr wieder ein wenig auf dem Boden der Realität an, indem er gemerkt hat, dass der alte Mann Hamilton doch flott fahren kann. Er dagegen hat relativ viele Fehler gemacht", sieht der Formel-1-Experte die Leistung des jungen Briten kritisch.

Im Gegensatz zu seinem ersten Jahr bei den Silberpfeilen hatte Russell 2023 im stallinternen Duell mit Rekordchampion Hamilton klar das Nachsehen. "Ich halte ihn aber für intelligent und ausbaufähig genug, dass wir nächstes Jahr einen Russell sehen, der die Latte ein bisschen höher legt", sagt Danner.

Platz 7: Carlos Sainz, Ferrari, 200 Punkte

Der Spanier darf sich die Auszeichnung "einziger Nicht-Red-Bull-Sieger 2023" ans Revers heften, triumphierte beim Nacht-GP von Singapur. Insgesamt schwankten Sainz' Leistungen aber, im Vergleich mit Scuderia-Rivale Charles Leclerc zog er am Ende knapp den Kürzeren. "Er hat ein paar sehr kämpferische, aggressive, tolle Rennen gefahren, natürlich auch in Singapur", lobt Danner einerseits. Andererseits: "Gerade gegen Saisonende hat er gegen Leclerc doch wieder alt ausgesehen. Er hatte keine wahnsinnig stabile Form, fuhr mit viel Elan, aber doch auch mit viel Gejammer."

Platz 6: Lando Norris, McLaren, 205 Punkte

"In der Kombination mit McLaren ein Extrakönner", findet der ehemalige Formel-1-Pilot. "Er hat es fertig gebracht, aus dem, was er zur Verfügung hatte, immer noch ein, zwei Extrazehntel rauszukitzeln. Das ist etwas, was nicht jeder kann, er schon. Er ist nur kurz vor dem Verzweifeln, dass er endlich mal gewinnt, das ist psychologisch problematisch."

In der Tat wird es den Briten mächtig wurmen, dass Rookie Piastri immerhin schon einen Sprint gewonnen hat, während Norris auch bei den Renn-Quickies leer ausging.

Dennoch: Sechs zweite Plätze bei den Grands Prix sind eine bärenstarke Ausbeute.

Platz 5: Charles Leclerc, Ferrari, 206 Punkte 

Leclerc war in den letzten Rennen erster Verstappen-Verfolger. Zufrieden wird der ambitionierte Monegasse mit seinem Jahr aber nicht sein, zumal nicht er, sondern Stallrivale Sainz das einzige schwache Red-Bull-Wochenende in Singapur ausnutzte.

"Ich glaube, Leclerc hatte ein paar mentale Probleme, weil er sich selbst hinterfragt hat: 'Bin ich hier überhaupt im richtigen Team?'", vermutet Danner. "Als er das abgelegt hat, war er wieder der Alte und war wirklich stark. Nicht nur seine Pole Positions, er war auch sehr intelligent im Rennen - ein absoluter Spitzenpilot."


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Platz 4: Fernando Alonso, Aston Martin, 206 Punkte

Der Altmeister startete mit sechs Podien in Serie fulminant in die Saison, lag am Ende dank seiner neun Besuche auf dem Treppchen vor Leclerc. Was Alonso auch mit 42 Jahren abliefert, ist beindruckend, seinen Teamkollegen Stroll degradierte er zu einem Statisten.

"Fernando ist ein 'Racing Animal'", verneigt sich Danner vor Alonso: "Er hat es geschafft zwei Komponenten zu verbinden: Erstens, fährt er immer noch mit derselben Leidenschaft, der gleichen Energie und dem Biss wie eh und je. Zweitens, hat er es geschafft, abgeklärt und mit einer Rennintelligenz das Auto ins Ziel zu bringen, die absolut bewundernswert ist."

Platz 3: Lewis Hamilton, Mercedes, 234 Punkte

Hamilton plagte sich über weite Strecken der Saison mit seiner Mercedes-Diva herum, die mal schnell, dann mal wieder unerklärlich langsam über die Piste fuhr. Der 38-Jährige ließ sich davon nicht beirren und bestach als konstanter Punktesammler.

"Auch wenn der Mercedes nicht angenehm zu fahren war, hat Lewis sich wieder als das etabliert, was er immer war: Lewis der Besondere. Das rechne ich ihm hoch an. Denn mit einem Topauto ist es wesentlich einfacher zur Normalform zurückzufinden, als mit so einem Ding", bilanziert der F1-Fachmann.

Zudem habe Hamilton den Vorteil, mit Russell einen Stallrivalen zu haben, "der ihm ordentlich Zunder gibt. Schläfrig wird ihm nicht."

Platz 2: Sergio Perez, Red Bull, 285 Punkte

"Man muss sich einfach mal vorstellen, Verstappen währe nicht gefahren oder an seiner Stelle ein Nyck de Vries oder sonst wer: Dann wäre Perez Weltmeister! So schlecht ist er also nicht gefahren. Wenn er noch etwas entspannter wird, keine unnötigen Fehler macht, ein bisschen reflektiert, dann ist er die ideale Nummer zwei für Red Bull und wird nächstes Jahr wieder Vize-Weltmeister", sagt Danner.

Nach einem Hänger über mehrere Rennen mit teils desaströsen Qualifying-Ergebnissen fing sich der Mexikaner gegen Saisonende. Die Spekulationen über seine Zukunft sollten dank des Vize-Titels vom Tisch sein.

Platz 1: Max Verstappen, Red Bull, 575 Punkte

Der dritte Titel in Serie, 19 Saisonsiege, Rekorde ohne Ende gebrochen oder aufgestellt - alles andere als eine "1 mit Sternchen" für den Holländer wäre ein Witz. "Fast schon tragisch ist ja, dass er im TV kaum noch zu sehen ist", witzelt Danner. "Der ist am Start weg und dann konzentriert sich die Regie auf das Mittelfeld und in der letzten Runde oder beim Boxenstopp ist er kurz wieder im Bild."

Was den Formel-1-Insider an Verstappen besonders beeindruckt ist "diese Abgeklärtheit in so jungem Alter: Der fährt ja mit 26 so abgeklärt wie Alonso mit 42. Außerdem hat er Biss ohne Ende, wollte bis zum letzten Rennen gewinnen. Er hat eine Auffassungsgabe im Cockpit, die ihresgleichen sucht, hat immer alles im Griff. Das ist extrem dominant. Und er hat ein Team, das ihm jeden Wunsch erfüllt und ihm das Auto hinstellt, wie er es braucht. Er hat ein Verhältnis zu seinem Team, zu den Ingenieuren, den Mechanikern wie damals Michael Schumacher. Er wird verstanden. Das ist ein Traum."

Zur Person:

Christian Danner (65) schaffte 1985 mit dem Gewinn der Formel-3000-Europameisterschaft den Sprung in die Formel 1. Bis 1986 fuhr er in der Königsklasse für mehrere kleine Teams und errang bei 36 Grand-Prix-Starts vier WM-Punkte. Danach fuhr er in der US-amerikanischen IndyCar-Serie und avancierte zum ersten deutsche Rennfahrer, der in Formel 1 und IndyCar Punkte holte. In der DTM gewann Danner zwischen 1988 und 1996 fünf Rennen, 1997 zog er sich aus dem Motorsport zurück. Von 1998 bis 2022 kommentierte der Bayer an der Seite von Heiko Waßer die Formel 1 bei RTL. Danner arbeitet als TV-Experte und Fahrsicherheitstrainer.

Fahrerwertung

#FahrerTeamPunkte
1AustralienOscar PiastriMcLaren324
2GroßbritannienLando NorrisMcLaren299
3NiederlandeMax VerstappenRed Bull Racing255
4GroßbritannienGeorge RussellMercedes AMG F1 Team212
5MonacoCharles LeclercFerrari165

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