Saftiger Denkzettel für alle Toyota-Konkurrenten: Gazoo Racing hat beim Finale der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) 2023 auf dem Bahrain International Circuit noch einmal alle Register gezogen und einen klaren Doppelsieg eingefahren.
Die alten und neuen Weltmeister heißen Sebastien Buemi, Brendon Hartley und Ryo Hirakawa im Toyota #8, die auch das Rennen klar gewannen.
Die Geschichte des Sieges ist schnell erzählt: Buemi gewann den Start, ließ das Chaos hinter sich und fuhr dem Sonnenuntergang entgegen, seine Teamkollegen verwandelten. Mit einer souverän kontrollierten Fahrt fuhr die #8 einen nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg ein. Es ist die zweite erfolgreiche Titelverteidigung in der Geschichte der WEC - ausgerechnet gegen das Auto, dem dieses Kunststück bereits 2019/20 und 2021 gelungen war.
Die Rede ist natürlich vom Toyota #7 (Conway/Kobayashi/Lopez), der den zweiten Platz belegte. Allerdings verlief das Rennen keineswegs so geradlinig wie das der Teamkollegen. Die #7 musste sich nämlich durch das gesamte Feld kämpfen.
Bamber löst Chaos beim Start aus
Grund dafür war ein kapitaler Verbremser von Earl Bamber im Cadillac #2 (Bamber/Lynn/Westbrook; 2.) beim Start. Dieser brachte ein halbes Dutzend Fahrzeuge aus dem Rennen, darunter auch sein eigenes. Der Neuseeländer rutschte mit stehenden Rädern in den Toyota von Mike Conway und drehte diesen um.
Zahlreiche Fahrzeuge mussten durch die Auslaufzone ausweichen. Als sie wieder auf die Strecke kamen, gab es erneut Chaos: Phil Hanson im United-Autosports-Oreca #22 (Lubin/Hanson/Albuquerque) schob ausgerechnet seinen Teamkollegen Tom Blomqvist im United-Autosports-Oreca #23 (Pierson/Blomqvist/Jarvis) in den Vanwall #4 (Guerrieri/Vautier/Briscoe).
Cadillac und United Autosports erhielten für ihre Vergehen jeweils eine Stop-and-Go-Strafe von 60 Sekunden. Zudem wurde der Cadillac V-Series.R im Frontbereich beschädigt, was einen Zeitverlust von rund zwei Sekunden pro Runde im ersten Stint bedeutete. Chip Ganassi Racing nutzte das Rennen daraufhin als Testsession.
Conway fuhr wieder los und rollte das Feld von hinten auf. Nach vier Runden hatte er die kleineren Klassen überholt, allein bis zum ersten Boxenstopp fuhr er bis auf die dritte Position vor. Doch dann endete sein Vorwärtsdrang vorerst, als er hinter dem Ferrari #51 (Pier Guidi/Calado/Giovinazzi) von Alessandro Pier Guidi hängen blieb.
Dessen Bereitschaft, den Toyota vorbeizulassen, war geringer als die theoretischen Titelchancen, die Ferrari in diesem Rennen noch hatte. Erst durch einen Undercut beim zweiten Boxenstopp gelang es dem Toyota #7, den zweiten Platz zu übernehmen. Weiter nach vorne ging es nicht mehr, da die #8 auch bei freier Fahrt für beide das schnellere Auto war.
Riesenleistung von Jota, dann folgenschwerer Fehler
Der Kampf um den dritten Platz war packend und erbittert, vier Fahrzeuge waren im Lostopf. Ferrari, als klarer Sieger aus der Startkollision hervorgegangen, verteidigte das ganze Rennen lang sein Revier gegen zwei heranstürmende Porsche 963.
Deren Flaggschiff war überraschenderweise der privat eingesetzte Jota-Porsche #38 (Felix da Costa/Stevens/Ye), der ebenfalls gut durch das Startgetümmel gekommen war. Dieser begeisterte im Rennen mit mehreren spektakulären Überholmanövern.
Noch im ersten Stint musste der Porsche #5 (Cameron/Christensen/Makowiecki) von Michael Christensen zurückstecken. In der dritten Stunde hatte dann Yifei Ye die Ferraris eingeholt. Der Chinese, der seinen wohl besten Doppelstint der Saison fuhr, setzte sich gegen den Ferrari #50 (Fuoco/Molina/Nielsen) durch.
Danach kam er auch an den Ferrari #51 (Pier Guidi/Calado/Giovinazzi) heran, aber der Kampf dauerte lange. Erst nach der Übergabe an Antonio Felix da Costa gelang das Überholmanöver, doch der Portugiese verbremste sich in der letzten Kurve. Das ermöglichte es Nicklas Nielsen im #50, nach einem Undercut beide Positionen zu gewinnen. Kurz darauf nutzte Felix da Costa seine frischeren Reifen, um ebenfalls an Nielsen vorbeizugehen.
Der Jota-Porsche lag nun an dritter Stelle und begann sogar, auf den Toyota #7 aufzuholen. Bis auf 13 Sekunden kam der goldene Porsche 963 heran. Doch dann unterlief Felix da Costa ein folgenschwerer Fehler: Er rutschte in Kurve 1 in die Auslaufzone und zog direkt vor den TF-Sport-Aston-Martin #777 (Talbot/Stevenson/Fujii). Das hatte eine Durchfahrtsstrafe zur Folge.
Ferrari-Bruderkrieg und Fuocos Abwehrkampf
Damit ging alles wieder von vorne los: Beide Ferrari wieder auf den Positionen drei und vier. Antonio Felix da Costa überholte einen Ferrari, doch Jota fiel beim vorletzten Boxenstopp wieder zurück. Doch nun begannen die beiden Ferrari, sich gegenseitig zu bekriegen.
Dabei versuchte Antonio Fuoco, Alessandro Pier Guidi durch die Auslaufzone zu überholen, verlor aber kurz die Kontrolle und rutschte in den Scheitelpunkt von Kurve 8. Dennoch blieb er am Gas, nahm die andere Auslaufzone am Kurvenausgang mit, dann gingen beide nebeneinander in Kurve 10. Erst jetzt setzte sich Fuoco durch und dann ab.
Pier Guidi musste sich nun wieder mit dem Jota-Porsche auseinandersetzen, der jetzt von Will Stevens gesteuert wurde. Nach einer dreiviertelstündigen Hetzjagd gelang es Stevens, den mit den Reifen strauchelnden Pier Guidi zu überholen. Kaum geschehen, mischte sich auch Kevin Estre im Porsche #6 (Estre/Lotterer/Vanthoor) ein.
Der Porsche #6 hatte ebenfalls eine Aufholjagd hinter sich, nachdem Laurens Vanthoor nach der Startkollision durch die Auslaufzone musste und an Boden verlor. Estre machte kurzen Prozess mit Pier Guidi, der nur als Sechster ins Ziel kam.
Im letzten Stint machten beide Porsche Jagd auf den verbliebenen Ferrari. Doch Estre konnte das Tempo von Stevens nicht mitgehen. Fuocos Vorsprung von sechs Sekunden konnte Stevens zwar auf 1,6 Sekunden verkürzen, doch der Ferrari-Pilot hielt dagegen und sicherte sich nach einem stundenlangen, sportlich hochklassigen Kampf den letzten Podiumsplatz.
Der Porsche #5 kam mit dem Tempo der Gruppe vor ihm nicht mit und wurde Siebter. Die beiden Peugeot 9X8 konnten sich nicht wirklich in Szene setzen, überholten aber im letzten Stint den Proton-Porsche #99 (Bruni/Tincknell/Jani).
