Auf dem Weg in die Weltspitze des Skispringens hatte Philipp Raimund immer wieder mit Gegenwind zu kämpfen. Doch spätestens mit seinem 13. Platz in der Gesamtwertung der Vierschanzentournee 2023 zeigte der Wahl-Oberstdorfer, dass sich Disziplin und Trainingseifer auszeichnen. Welche Lehren er aus seinem bislang besten Winter mitgenommen hat, was ihm derzeit noch Probleme macht und wohin er will, verriet er nun in einem Podcast-Interview.
Allein durch seine ansteckend positive Art war Philipp Raimund in einem schwierigen Winter 2022/2023 eine Bereicherung für die deutsche Skisprung-Mannschaft. Doch der gebürtige Göppinger untermauerte seinen Anspruch auf einen festen Platz im Team auch mit Leistung: Platz 13 bei seiner ersten kompletten Vierschanzentournee und Platz 30 im Gesamtweltcup waren Leistungsnachweise.
Aber: Sie sind kein Freifahrtschein für den nahenden Winter. Vor allem deshalb nicht, weil der Ski-Weltverband FIS den stärksten Nationen und damit auch Deutschland einen Startplatz gestrichen hat. Statt bisher sieben dürfen nur noch maximal sechs Athleten im Weltcup springen und das "ist ziemlich schade", wie Raimund nun im Skispringen-Podcast "Flugshow" sagte.
"Das erhöht den Konkurrenzkampf nochmal. Jeder probiert, noch bessere Sprünge zu zeigen und noch intensiver an sich zu arbeiten", schilderte der 23-Jährige die neue Situation, der sich alle bewusst seien: "Bei uns kann sich niemand sicher fühlen", setzte Raimund an, schränkte zugleich aber ein: "Außer vielleicht Andreas Wellinger und Karl Geiger, weil sie super viel Erfahrung und im Vorfeld abgeliefert haben. Insbesondere Andi mit seinem Sieg beim Sommer-Grand-Prix in Hinzenbach."
Die Auswahl für Bundestrainer Stefan Horngacher ist groß: Lässt man Wellinger und Geiger außen vor, kämpfen mit Raimund, Markus Eisenbichler, Constantin Schmid, dem beim Sommer-Grand-Prix-Finale in Klingenthal überraschend starken Martin Hamann, sowie den in die Trainingsgruppe 1b versetzten Stephan Leyhe und Pius Paschke sieben weitere Athleten um lediglich vier Startplätze.
"Ich bin selber sehr gespannt, wer die Startplätze sichern wird", sagte Raimund in dem 80-minütigen Interview. Besonders motivieren müsse er sich nicht, denn "mein stetiger Drang ist immer, morgen besser zu sein als heute."
Philipp Raimund: Das sind seine Hausaufgaben bis zum Winterstart
Akribisch arbeitet Raimund zurzeit an seiner größten Baustelle, dem Übergang vom Absprung in die eigentliche Flugphase nach dem Schanzentisch. Bis dato habe er sich eher als Spezialist für kleinere Schanzen hervorgetan, "seitdem ich am Ski etwas rumgetüftelt habe, kommen die Sprünge auf den Großschanzen auch immer besser." Nun gehe es darum, über dem Vorbau die Arme noch weiter nach vorne zu nehmen, "um die Endrotation zu verbessern, um noch schneller im Flug zu werden."
Dieses Finetuning in der so wichtigen ersten Flugphase habe sich bereits jetzt bezahlt gemacht und soll nun perfektioniert werden, damit Raimund seine persönlichen Saisonziele erreicht. Er wolle sich stetig in den Top 15 halten und "einige Ausschläge nach oben" haben, sagte er. Den 30. Rang aus dem Gesamtweltcup wolle er auf jeden Fall übertreffen, "sollte ich direkt in Ruka mit dabei sein und die gesamte Saison durchspringen".
Mit dem Verlauf der bisherigen Vorbereitung sei er insgesamt "sehr zufrieden", vor allem der vierte Platz auf der Normalschanze und die Bronzemedaille auf der Großschanze bei den European Games in Zakopane seien eine Bestätigung für ihn gewesen: "Grundsätzlich nehme ich so etwas gerne mit, weil der Wettkampf die beste Form des Trainings ist. Der Fokus ist nochmal ein ganz anderer, auch, weil man dort auch kontrolliert wird und handfeste Vergleiche hat. Das Training auf der kleinen Schanze lief schon sehr gut und der Wettkampf noch besser mit einem halben Punkt an Bronze vorbei. Das hat dann auf der Großschanze geklappt, das war mega cool."
Raimund offenbart Hüft-Problematik
Nur gut einen Monat später, nämlich Anfang August, erlitt Philipp Raimund jedoch einen Rückschlag. Bei einem weiten Sprung beim Sommer-Grand-Prix in Courchevel trat eine bereits bestehende Hüft-Problematik wieder auf. "Bei der Landung ist mir das einfach reingeschossen und ich habe reflexartig nachgegeben und bin deswegen gestürzt. Die MRT- und Röntgenergebnisse haben gezeigt, dass ich mir einen Riss der Gelenklippe in der Hüfte zugezogen habe", schilderte er im Gespräch mit der "Flugshow".
Diese Verletzung zog zwar keine unmittelbare Zwangspause nach sich, wie gewohnt konnte der Wahl-Oberstdorfer aber auch nicht weitermachen. Die Option, das Landebein zu wechseln, um die Hüfte zu entlassen, kam nicht in Frage, nachdem es in den ersten Versuchen gefährlich wurde. Also habe er zunächst weniger Anlauf bei seinen Sprüngen gewählt und mit Physiotherapie und Akupunktur an seiner Hüftstabilität zu arbeiten.
"Das hat mich ziemlich weit nach vorne gebracht. Ich habe das Problem noch bei sehr weiten Sprüngen, das äußert sich in einem Ziehen, das aber am nächsten Morgen weg ist und meine Muskulatur zieht sich nicht mehr so zu. Vorher war die Einschränkung eine 9/10, jetzt bin ich bei einer 3/10", berichtete Raimund.
Raimund will "irgendwann mal die Tournee gewinnen"
Der Springer ist guten Mutes, dass er seiner gelungenen Vorsaison eine weitere folgen lassen könne. Besonders ein Großereignis habe es ihm angetan: "Ich will irgendwann mal die Tournee gewinnen, das ist sicherlich das Ziel von jedem deutschen Skispringer", ließ er verlauten. Bis zur vergangenen Saison kannte er den "Goldenen Adler" nur von kurzen Begegnungen: "Ich durfte bis dato bei der Tournee nur mal reinschnuppern in der nationalen Gruppe – und selbst das war schon richtig geil."
Seine erste komplette Tournee habe er deshalb in vollen Zügen genießen wollen – und das gelang ihm auch. Das Ergebnis sei ihm "ziemlich egal" gewesen, allein weil er mit der großen Schanze in Bischofshofen bis dato seine liebe Mühe hatte. "Aber dann habe ich selbst da mein bislang bestes Ergebnis gemacht und es war einfach super schön", schwärmte der Schwabe.
Bodenständig, positiv und zielstrebig wolle er bei dem wachsenden Erfolg und der größer werdenden Aufmerksamkeit auch weiterhin bleiben: "Wenn ich irgendwann mal ganz oben stehen sollte, ist das natürlich mega und wenn nicht, dann ist es so. Aber dann weiß ich zumindest, dass ich immer alles gegeben habe."
Luis Holuch
