In einem von heißen Diskussionen über die Sicherheit der Reifen und die Tracklimits geprägten Sprint-Shootout in Katar sicherte sich letztendlich Oscar Piastri (McLaren) den ersten Startplatz für den F1-Sprint, der am Samstagabend um 19:30 Uhr deutscher Zeit unter Flutlicht auf dem Losail International Circuit in Doha stattfindet.
Topfavorit Max Verstappen hatte gleich im ersten Versuch in SQ3 eine Bestzeit von 1:24.543 Minuten vorgelegt und hängte seinen Gegnern die Latte damit vermeintlich extrem hoch. Doch dem angehenden Weltmeister wurde die Zeit wegen Tracklimits in Kurve 5 gestrichen. "Seid ihr euch sicher?", fragte er am Funk ungläubig nach.
Verstappen war zu Beginn der Session als Erster auf die Strecke gegangen, und so konnte er nach zwei "Cooldown-Laps" einen zweiten Anlauf auf die Sprint-Poleposition nehmen. Seine Zeit von 1:24.646 Minuten war aber erstens langsamer als sein erster Versuch - und zweitens nicht schnell genug, um die beiden McLaren-Fahrer zu verdrängen.
Zunächst sah es so aus, als würde Lando Norris den ersten Startplatz erobern. Doch Norris rutschte in der letzten Kurve seiner letzten Runde nach draußen und konnte seine bis dahin stehende Bestzeit nicht mehr verbessern. Das nutzte Piastri, der ihn im letzten Versuch um 0,082 Sekunden von der Sprint-Poleposition verdrängte.
Der Australier scherzte im Top-3-Interview mit Naomi Schiff: "Ich gebe der FIA noch fünf Minuten Zeit, bevor ich mich freue ..."
Als das Ergebnis einmal feststand (angesichts reihenweise gestrichener Rundenzeiten dauerte das ein Weilchen), lag Verstappen hinter dem McLaren-Duo auf Platz 3, gefolgt von George Russell (Mercedes/+0,387), Carlos Sainz (Ferrari/+0,701), Charles Leclerc (Ferrari/+0,793), Nico Hülkenberg (Haas/+0,866) und Sergio Perez (Red Bull/+0,928).
Fernando Alonso (Aston Martin) und Esteban Ocon (Alpine) belegten die Positionen 9 und 10. Die beiden hatten keine gewertete Rundenzeit, eben wegen Verstößen gegen die Tracklimits.
Auch Lewis Hamilton (Mercedes) war eins von vielen Opfern der Tracklimits. Dem siebenmaligen Weltmeister wurden in SQ1 und SQ2 mehrere Rundenzeiten gestrichen, sodass er letztendlich nur den zwölften Platz belegte.
Hat McLaren im F1-Sprint eine realistische Siegchance?
McLaren-Teamchef Andrea Stella freut sich über die erste Doppelpole unter seiner Führung, weiß aber, dass der F1-Sprint am Abend schwierig zu gewinnen wird: "Verstappen und Russell waren schon das ganze Wochenende schnell. Wir wissen, wie schnell Verstappen in längeren Stints ist. Aber wir versuchen unser Bestes."
Im Interview mit dem ORF spielt er außerdem augenzwinkernd auf die Tracklimits-Verstöße seiner beiden Fahrer im ersten Qualifying am Samstag an: "Heute haben sie einen besseren Job gemacht als gestern", grinst Stella und ergänzt: "Die Performance des Autos war gut, und es ist schön, dass die Fahrer das nutzen konnten."
So gut, dass McLaren die Pole aus eigener Kraft erobern konnte. Verstappen wurde eine Rundenzeit von 1:24.543 Minuten gestrichen. Doch auch mit dieser Zeit wäre er letztendlich Dritter geworden. "McLaren hat sich das rausgefahren", analysiert ORF-Experte Alexander Wurz. "Nicht nur wegen der Tracklimits, sondern sie waren einfach schneller."
Wurz weiter: "Beide Autos waren schneller als Verstappen, schneller als Red Bull - auf einer Strecke mit so langen Kurven, wo man sich denkt, dort sollte Red Bull eigentlich zuhause sein. Da muss man dann sagen: mega, wirklich mega! Das ist fast unglaublich."
Für Red Bull war Platz 3 aber "Rettung in letzter Sekunde", wie es Helmut Marko formuliert: "Es war die erste Runde, nachdem die andere Runde gestrichen wurde. Da war unser Konzept schon durcheinander."
Wird Verstappen jetzt trotzdem Weltmeister?
Selbst wenn Perez den F1-Sprint gewinnen sollte, reicht Verstappen ein sechster Platz, um den Sack zuzumachen. Die vorzeitige WM-Entscheidung scheint also nur noch Formsache zu sein. "Für die WM reicht es. Wir hätten uns gewünscht, dass es mit einem Sieg endet", sagt Marko. "Aber ein Podium ist auch gut."
"Jetzt müssen wir schauen, ob die McLaren dieses Tempo halten kann. Die waren gestern schon sehr schnell. Überholen ist auch nicht ganz leicht hier. Schauen wir mal, wie die Reifensituation ist. Der Abbau wird entscheidend sein. Und die Temperaturen gehen eigentlich nicht drastisch zurück bis zum Sprint. Das wird glaube ich ein heißes Rennen", analysiert Marko.
Warum begann das Sprint-Shootout mit Verspätung?
Am Freitagabend stellte Pirelli bei der Untersuchung der Reifen nach dem Freien Training fest, dass die neuen Randsteine auf dem Losail International Circuit für Sicherheitsprobleme mit den Reifen sorgen könnten. Um ein Fiasko wie zuletzt in Indianapolis 2005 zu verhindern, wurden in Zusammenarbeit mit der FIA umgehend Notfallmaßnahmen auf den Weg gebracht.
Diese Maßnahmen umfassen unter anderem, dass die Tracklimits in den Kurven 12/13 um 80 Zentimeter nach innen versetzt wurden, sodass die Fahrer an der Stelle nicht mehr über die Randsteine fahren. Um den Fahrern die Möglichkeit zu geben, sich an diese Änderung zu gewöhnen, wurde vor dem Sprint-Shootout ein zehnminütiges Zusatztraining zur Akklimatisierung angesetzt.
Nach dieser Session, zu der es kein offizielles Ergebnis gab (inoffiziell: Verstappen vor Leclerc und Ocon), gab's nochmal zehn Minuten Pause. Deswegen konnte das eigentliche Sprint-Shootout erst mit 20 Minuten Verspätung um 15:20 Uhr deutscher Zeit beginnen.
Wie ging's dann in SQ1 weiter?
Einige Fahrer schafften es offenbar nicht so schnell, sich auf die neuen Tracklimits einzustellen. In SQ1 mussten reihenweise Rundenzeiten gestrichen werden. Am Ende schieden Lance Stroll (Aston Martin), Alexander Albon (Williams), Yuki Tsunoda (AlphaTauri), Kevin Magnussen (Haas) und Logan Sargeant (Williams) aus.
Für Tsunoda Grund genug, am Boxenfunk völlig zu eskalieren. Dabei war der Japaner am verpassten SQ2 auch ein bisschen selbst schuld. Denn bei seinem Tracklimits-Verstoß machte er mitten in der Kurve die Lenkung auf. Hätte er das nicht getan, wäre er wahrscheinlich nicht über die weiße Linie gefahren.
Selbst Leclerc musste im ersten Segment zittern. Bis zu seiner allerletzten Runde hatte er keine Zeit gefahren, die ausreichend war, um ins SQ2 aufzusteigen. Erst im letzten Versuch verbesserte er sich auf Platz 11, 0,583 Sekunden und somit doch noch komfortabel vor Stroll auf Rang 16.
Und in SQ2?
Es wurden weiterhin munter Rundenzeiten gestrichen. Unter anderem erneut von Leclerc, Sainz und Hamilton, die schon in SQ1 mit Verstößen aufgefallen waren. So war die große Kunst, eine schnelle Rundenzeit zu erzielen, ohne dabei aber allzu großes Risiko zu gehen, in den neuralgischen Passagen zu weit nach außen getragen zu werden.
Und das bekamen nicht alle hin. Unter den fünf Piloten, die in SQ2 ausschieden, war mit Hamilton auch ein echter Superstar. Er wurde mit einer Zeit von 1:25.962 Minuten auf Platz 12 gewertet. Schwacher Trost: Auch seine schnellste Runde von 1:25.626 Minuten hätte nicht gereicht, um in die Top 10 einzuziehen.
Neben Hamilton schieden in SQ2 auch Pierre Gasly (11./Alpine), Valtteri Bottas (13./Alfa Romeo), Liam Lawson (14./AlphaTauri) und Guanyu Zhou (15./Alfa Romeo) aus. Gasly fehlten am Ende der Session 0,176 Sekunden auf die Zeit seines Teamkollegen, die Platz 10 bedeutet hätte.

