Auch nach seinem Karriereende sorgt Mesut Özil für Schlagzeilen. Der ehemalige Nationalspieler zeigte sich mit einem Tattoo der Grauen Wölfe - eine Gruppierung, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. Im Internet schlug das Foto hohe Wellen.
Im Jahr 2010 erhielt Mesut Özil den Bambi in der Kategorie "Integration". Als Sohn türkischer Eltern entschied sich der geborene Gelsenkirchener kurz vor seinem 18. Geburtstag für die deutsche Staatsangehörigkeit und lief anschließend insgesamt 92-mal für die DFB-Elf auf, mit der er 2014 auch Weltmeister wurde.
Jetzt sorgt der 34-Jährige mit einem Social-Media-Post für Aufsehen. Ein Foto zeigt Özil mit teilweise entblößtem Oberkörper - auf seiner linken Brust prangt ein Tattoo mit dem Symbol der Grauen Wölfe. Einer rechtsextremen Gruppierung der Türkei, die auch in Deutschland äußerst aktiv ist.
Ein "übersteigerter Nationalismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus und Antisemitismus" prägen die Ideologie der sich in Deutschland immer weiter ausbreitenden rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung, deren Symbol der graue Wolf ist. Das schreibt der Verfassungsschutz im Bericht "Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland".
Stand Dezember 2022 gibt es demnach in Deutschland etwa 11.000 Anhänger, die Grauen Wölfe gelten als größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland. Sie sehen das Türkentum als übergeordnete Nationalität und Kultur an und würdigen diverse vermeintlicher Gegner ab, wie beispielsweise Armenier, Griechen, Juden, Kurden oder die USA.
Ob Özil, der sich in den sozialen Medien immer wieder gegen Rassismus positioniert, zur organisierten Szene in Deutschland oder in der Türkei gehört, oder ob er sogar aktives Mitglied der Grauen Wölfe ist, ist nicht bestätigt. Der Journalist Tobias Huch schreibt auf Twitter, dass das Foto "journalistisch verifiziert" wurde.
Mesut Özil gilt als großer Fan von Erdogan
Der Linken-Politiker und frühere Berliner Abgeordnete Hakan Tas, der das Foto Özils twitterte, bestätigte der "Berliner Zeitung" die Echtheit des Tattoos. Ihm zufolge wurde bereits "gemunkelt", dass der einstige Weltklasse-Kicker die Grauen Wölfe unterstütze, was er nun als bestätigt ansieht: "Die Grauen Wölfe sind nicht besser als die Neonazis bei uns. Ein Neonazi ist ein Neonazi, ob nun in Deutschland oder in der Türkei."
Allzu überraschend ist das Tattoo bei näherer Betrachtung tatsächlich nicht. Özil suchte bereits die Nähe zum autokratischen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, als er noch in Deutschland, Spanien und England lebte, während er für Werder Bremen, Real Madrid und den FC Arsenal spielte.
Immer wieder. Özil ernannte ihn 2019 sogar zu seinem Trauzeugen. 2023 bejubelte er den Wahlsieg des Amtsinhabers mit einem "Gott sei Dank".
Erdoğans Partei AKP befindet sich seit 2018 mit der rechtsextremen, ultranationalistischen und EU-skeptischen MHP im Wahlbündnis "Volksallianz", mit dieser "Partei der Nationalistischen Bewegung" stellt die AKP die Mehrheit in der Großen Nationalversammlung.
Die MHP gilt als politischer Arm der "Grauen Wölfe" des Parteigründers Alparslan Türkeş und Rassismus ist ein zentraler Pfeiler der Partei-Ideologie. Dieser Rassismus richtet sich vor allem gegen Armenier, Kurden und Juden.
Türkeş sagte unter anderem Sätze wie: "Wenn ihr Kurden weiterhin eure primitive Sprache sprecht (…), werdet ihr von den Türken auf die gleiche Weise ausgerottet, wie man schon Georgier, die Armenier und die Griechen [auf türkischem Boden] bis auf die Wurzeln ausgerottet hat."
Mesut Özil war 2018 selbst Opfer von Rassismus
Ein weiteres Indiz: In Deutschland überraschte Özil zur Bundestagswahl 2021 mit einer Wahlempfehlung für die Partei "Team Todenhöfer". Diese ging aus dem "Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit" hervor, der eine Nähe zur türkischen Erdogan-Partei AKP nachgesagt wurde.
Dass Özil in Deutschland, besonders vor, während und nach der Weltmeisterschaft 2018 rassistische Hetze zu spüren bekam und die Debatte um sein damaliges Foto mit Erdoğan und sein Aus in der Nationalelf teilweise rassistisch geführt wurde, ist Fakt.
Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass Özil selbst kein Rassist sein könnte. Es sind vielmehr zwei unabhängig voneinander zu betrachtende Entwicklungen, auf die hingewiesen werden muss.
Als Özil mit viel Brimborium Amine Gülşe heiratete, Erdoğan an der Seite des Paares, trat ein in der Türkei überaus berühmter Sänger auf: Mustafa Yıldızdoğan, der als Anhänger Türkeş gilt. Er performte das Lied "Ölürüm Türkiyem" (Ich sterbe für dich, meine Türkei), das Ronya Othmann und Cemile Sahin damals in einem Kommentar der "taz" die "Hymne der Rechtsextremen in der Türkei" nennen.
Ihr Vergleich: Man solle sich einmal vorstellen, "auf dem Polterabend von Bastian Schweinsteiger würde das Horst-Wessel-Lied gespielt".
David Bedürftig