Box-Weltmeister Vincenzo Gualtieri sieht mögliche WM-Kämpfe gegen deutsche Herausforderer um seinen IBF-Titel im Mittelgewicht als Chance, dem Boxen in Deutschland einen Schub zu geben. "Das wären auf jeden Fall Duelle, die den deutschen Boxsport populärer machen würden. Wenn dann noch ein Fernsehsender kommen würde, wäre der Kampfabend perfekt", sagte Gualtieri im Interview mit sport.de.
Nach seinem WM-Triumph Anfang Juli in Wuppertal über den Brasilianer Esquiva Falcao seien bei seinem Promoter Ingo Volckmann "sehr, sehr viele Angebote reingekommen", so der 30-Jährige. Aus den USA und England hätten sich potentielle Herausforderer gemeldet - aber eben auch "zwei, drei aus Deutschland".
Mit Denis Radovan (Rang 3), Vincent Feigenbutz (13) und Alexander Pavlov (14) stehen im Mittelgewicht (bis 72,57 Kilogramm) derzeit drei Deutsche unter den Top 15 der IBF-Rangliste. Platzierungen, die zu einem WM-Kampf berechtigen. "Einer von denen wird sich schon gemeldet haben", sagte Gualtieri ohne Namen zu nennen.
Boxen: Gualtieri würde Zachenhuber-Herausforderung "auf jeden Fall" annehmen
Auch einen Kampf gegen den ins Supermittelgewicht (76,2 Kilogramm) aufgestiegenen Simon Zachenhuber könne er sich vorstellen. Sollte Zachenhuber ihn herausfordern, "würde ich das auf jeden Fall annehmen. Natürlich müssen das die Manager unter sich klären, ob das zustande kommen kann. Aber wenn ein Fernsehsender da ist, wenn alles stimmt, kann man den Kampf auf jeden Fall machen."
Zachenhuber, durch die RTL-Show "Let's Dance" einem breiteren Publikum bekannt, boxte bis Ende 2022 im Mittelgewicht, ehe er in die nächsthöhere Klasse wechselte. Im Supermittelgewicht gewann der 25-Jährige im Juni den EM-Titel der IBF. Zachenhuber steht beim Hamburger Boxstall "P2M" unter Vertrag, Gualtieri bei "Agon Sports" aus Berlin.
Gualtieri zollte seinen deutschen Box-Kollegen Respekt, sieht sich aber einen Schritt voraus. "Alle sind starke Boxer, sonst wären sie nicht in den IBF-Rankings. Aber man hat in meinem letzten Kampf gesehen, was für eine Klasse, was für ein Niveau ich habe. Wer sich generell meine letzten vier oder fünf Kämpfe angeguckt hat: Da war immer eine Steigerung zu sehen und natürlich werde ich mich in meinem nächsten Kampf auch noch einmal steigern. Deswegen wird das sehr schwer gegen mich", machte der IBF-Champion eine freundliche Ansage an die Konkurrenz.
Gualtieri hatte am 1. Juli den im Vorfeld klar favorisierten Falcao über zwölf Runden einstimmig nach Punkten besiegt und sich zum ersten deutschen Mittelgewichts-Weltmeister seit Felix Sturm (2014) gekrönt. "Zwei, drei Tage nach dem Kampf konnte man das gar nicht so realisieren, dass man wirklich ganz Großes geschafft hat. Jetzt kann man das so langsam glauben, dass man Geschichte geschrieben hat", sagte der Weltmeister im Gespräch mit sport.de.
In Vincenzo Gualtieri steckt "sehr viel Rocky"
Er sei "megastolz" auf seine Leistung, so Gualtieri - auch wenn er in der Rückschau noch Punkte ausgemacht habe, die er verbessern könne. "Als Falcao angeschlagen war, hätte ich die Schläge noch präziser anbringen können, um den Kampf vorzeitig zu beenden", sagte der in 21 Kämpfen (20 Siege, 7 K.o., 1 Remis) ungeschlagene Kämpfer. Den Knockout könne man zwar nicht erzwingen. "Aber ich hätte ruhiger bleiben und etwas gezieltere Treffer setzen können. Ich war etwas hektisch, habe viele Schläge angebracht. Viele sind auch durchgekommen, aber es war keiner dabei, der den Kampf beendet hat."
Gualtieri hatte Falcao in den Runden 2 und 10 zu Boden geschickt, der Brasilianer berappelte sich aber jeweils, hielt bis zum Schlussgong durch. Der legendäre Satz seines Mentors Graciano Rocchigiani - "Gegner am Boden, jutet Jefühl" - stimme, witzelte Gualtieri. "Das war's auf jeden Fall - 'n jutet Jefühl."
Die 2018 bei einem Verkehrsunfall gestorbene Box-Ikone Rocchigiani hatte Gualtieri einst entdeckt und zum Profi gemacht. "Er hat mir die ersten Schritte in diesem Geschäft gezeigt und ich habe auch menschlich viel von ihm gelernt. Ich denke schon, dass sehr viel Rocky in mir steckt", sagte der Wuppertaler, der wie Rocchigiani italienische Wurzeln hat. Sein einstiger Trainer wäre auf die weltmeisterliche Leistung bestimmt "unfassbar stolz gewesen", meinte Gualtieri mit einem Schmunzeln: "Aber er hätte vielleicht auch gesagt: Als du den das erste Mal unten hattest - bisschen kontrollierter schlagen, dann beendest du den Kampf."
Martin Armbruster
