Der französische Radprofi Pierre Latour hat in einem erstaunlich offenen Interview Einblicke in seine Gefühlswelt gegeben und in diesem Zusammenhang über Todesängste gesprochen, die ihn auch während der Tour de France 2023 immer wieder heimsuchen.
Die Bergetappen bei der Tour de France sind für Millionen von Fans weltweit das sprichwörtliche Salz in der Suppe. Hier wird die Große Schleife entschieden, an den Hängen von Mont Ventoux, Alpe d'Huez und Co. werden wahre Helden geboren. Für TotalEnergies-Fahrer Pierre Latour sind die Fahrten ins Hochgebirge hingegen vor allem eins: der pure Horror.
Der 29-Jährige verriet im Gespräch mit der Zeitung "Le Parisien", dass er in den pfeilschnellen Abfahrten regelmäßig von Todesängsten heimgesucht wird. Diese Ängste seien "Teil meines Lebens", sagte er. "Ich kann nichts gegen diese Angst tun. Sie sorgt dafür, dass ich mich freiwillig ans Ende des Feldes zurückfallen lasse und dann viel unnötige Kraft verbrauchen muss, um wieder zurückzukommen."
Tour-Profi gefangen in einem "Teufelskreis"
"Es spielt sich alles in meinem Kopf ab. Ich weiß das, aber es [die Angst] ist stärker als ich", schilderte Latour am Samstag nach der 14. Etappe der diesjährigen Tour. Schon sobald es auf einer Abfahrt etwas regnet und sein Rad leicht wegrutscht, verdränge die Panik alles andere, ergänzte der Franzose, der vor wenigen Jahren noch zu den besten Nachwuchsfahrern der Welt zählte.
"Ich habe Angst, weil ich das Gefühl habe, ohne Kontrolle ins Nichts zu fahren. [...] Es ist so, als ob ich keinen Boden mehr unter den Rädern hätte", sagte Latour, der von einem "Teufelskreis" sprach: "Ich bremse, während alle anderen weiterfahren. Und wenn die anderen nah an mit vorbeifahren, macht mir das noch mehr Angst. Ich fühle ihren Luftzug und verkrampfe noch mehr."
"Ich bin komplett paralysiert"
In Abfahrten fühle es sich an, als würden seine beiden Unterarme jeweils 50 Kilogramm wiegen, schilderte der 29-Jährige: "Ich bin komplett paralysiert." Schon ein kleiner, harmloser Rutscher des Reifens sei ausreichend, damit seine Ängste alles andere dominieren und "alles in meinem Kopf explodiert", sagte Latour.
Er habe schon viele verschiedene Behandlungen in Anspruch genommen, langfristig geholfen hat allerdings keine davon. Immer wieder falle er beim kleinsten Zwischenfall in alte Muster zurück, sagte der TotalEnergies-Fahrer: "Kaum sehe ich etwas Wasser auf Straße, bremse ich, obwohl es das Schlimmste ist, was man in dem Moment machen kann. Und es ist völlig sinnlos, mich in dem Moment beruhigen zu wollen, weil ich nicht in der Lage bin, zuzuhören."






