Oliver Zeidler als einziger Hoffnungsträger, der traditionell starke Deutschland-Achter als Sorgenkind: Für die angeschlagene DRV-Flotte beginnt bei der Ruder-EM eine Reise ins Ungewisse.
Hoffnungsträger Oliver Zeidler will nicht wieder "auf die Fresse bekommen", der angeschlagene Achter in neuer Rolle die alte Schlagkraft wiederfinden - und dennoch fahren bei der ersten wichtigen Standortbestimmung etliche Fragezeichen mit.
Längst ist die Flotte des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV) vom Kurs abgekommen, ausgerechnet im Jahr vor Paris. Die Aussicht auf Erfolge bei der anstehenden EM in Bled? Gering.
"Es geht für uns sicher nicht darum, die Medaillen zu zählen", sagte Cheftrainerin Brigitte Bielig vor dem Start in die vorolympische Saison, in der der Fokus darauf liegt, möglichst viele Boote für die Sommerspiele 2024 zu qualifizieren. Nach dem enttäuschenden Vorjahr müsse der DRV bei der EM im slowenischen Bled ab Donnerstag "kleinere Brötchen backen". Es ist der Start in eine Reise ins Ungewisse.
Als einzige Medaillenhoffnung reist Einer-Dominator Zeidler an, der sich im Vorjahr zwar erneut zum Weltmeister krönte, bei der Heim-EM in München aber wie fast das gesamte DRV-Team untergegangen war. "Eine wirkliche Wiedergutmachung würde es nicht sein, wenn ich diesmal wieder gut unterwegs wäre", sagte der 26-Jährige der "FAZ". Aber "auf die Fresse bekommen"? Nein, das wolle er natürlich nicht.
Deutschland-Achter vor Ruder-WM: Vom Gejagten zum Jäger
Gleiches gilt für den Deutschland-Achter, der nach dem Umbruch verzweifelt die alte Stärke sucht. "Wir waren jahrelang immer die Gejagten, jetzt sind wir der Jäger", sagte Torben Johannesen, einer von zwei verbliebenen Ruderern aus dem Silberboot von 2021. Die Crew um den neuen Schlagmann Marc Kammann habe "nichts zu verlieren".
Zumal die neue Bundestrainerin Sabine Tschäge, die als erste Frau das DRV-Flaggschiff leitet, bei der EM "ein Brett" gegen Weltmeister Großbritannien und den WM-Zweiten Niederlande erwartet. "Wir kämpfen jeden Tag darum, dass wir vom Ergebnis des letzten Jahres wegkommen", versicherte sie.
Das Verpassen des WM-Finals und Platz vier bei der Heim-EM passten keineswegs in das Selbstverständnis des erfolgsverwöhnten Bootes. Die Olympia-Quali habe nun "oberste Priorität", sagte Tschäge. Und so wird die EM nicht nur für den Achter zum ersten Härtetest auf dem Weg zur WM im September, bei der die Tickets für Paris vergeben werden.
"Ich bin optimistisch, dass wir wesentlich besser aufgestellt sind als im letzten Jahr", sagte Cheftrainerin Bielig. Nur einmal Bronze für Alexandra Föster, die in diesem Jahr noch ihre Form sucht und fehlen wird, hatte es in München gegeben. Es folgten die historisch schlechte WM - und heftiger interner Streit.
Inzwischen ist es ruhiger geworden zwischen Chefkritiker Zeidler, der wie einige andere Athletinnen und Athleten die sportliche Führung massiv kritisiert hatte, und dem Verband. "Ich denke, ich habe genug angestoßen", sagte er nun. Ob sich die Situation verbessert hat? Dies werde sich "in Bled zeigen".