Clas Brede Bråthen hat als Manager des norwegischen Skisprung-Teams maßgeblich an der Einführung des Frauen-Skifliegens mitgewirkt. Nach der Premiere in Vikersund spricht er bei sport.de Klartext - und watscht auch die Kritiker des neuen Formats ab.
Im Leben von Clas Brede Bråthen gibt es außer der Familie nur eine Sache: das Skispringen. Früher stürzte der heute 54-Jährige sich selbst von den Schanzen, wurde 1989 mit der Mannschaft Vize-Weltmeister in Lahti. Heute ist der Norweger Teammanager seiner Skisprung-Nationalmannschaft und dabei ein Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung.
2021 war er maßgeblich daran beteiligt, dass die Frauen- und Männerteams seines Landes fusionierten, ein Jahr später stand auch dank seiner Initiative fest, dass die Frauen ihren ersten Skiflug-Wettkampf bekommen. Unmittelbar nach der Weltpremiere in Vikersund traf sich der Sportfunktionär mit sport.de zu einer Nachlese.
Bråthen ist bekannt für seine klaren Analysen und stellte fest: "Wir haben 90 Flüge der Frauen ohne irgendeinen Zwischen- geschweige denn Unfall gesehen. Die Frauen haben mir und denen, die sie sehen wollen, gezeigt, dass sie mehr als nur gut genug sind, um diese riesigen Schanzen zu bewältigen. Sie haben heute fantastische Sportmomente erzeugt und das Event war ein Erfolg."
Skispringen: Scharfe Kritik an Toni Innauer und Co.
In den vergangenen Monaten sahen er und seine Mitstreiter sich auch kritischen Stimmen, wie etwa jener von Ex-ZDF-Experte Toni Innauer ausgesetzt. Der 64-Jährige hatte im Sommer gar einen offenen Brief an den Internationalen Ski- und Snowboardverband (FIS) geschrieben und eindringlich vor der Einführung des Frauen-Skifliegens gewarnt.
Auch vor diesem Hintergrund sagte Bråthen: "Es sollte über dieses Fliegen keine negativen Kommentare geben, das wäre dumm. Und wenn die Leute sich dazu entscheiden, dumm daher zu reden, dann hoffe ich zumindest, dass sie niemanden mit hineinziehen."
Der Norweger plädierte sogar noch für mehr Zutrauen in die Fähigkeiten der Springerinnen: "Wenn die Jury so gearbeitet hätte, wie bei den Herren, wäre alles perfekt gewesen. Dann hätten die Springerinnen noch mehr Möglichkeiten gehabt, weit zu fliegen und die Gefühle und Emotionen wären noch größer gewesen."
Um die Sportart weiterzuentwickeln, müsse man auch immer das Produkt, was man vermarktet, denken, so Bråthen weiter. Die nächsten Schritte seitens des norwegischen Verbandes stehen bereits fest, führte er aus: "Wir werden uns ganz sicher für ein Weltcup-Springen hier in Vikersund bewerben, das ist der nächste Schritt, nachdem es jetzt lediglich ein FIS-Springen war. Mir haben die Experten der FIS gesagt, dass die Schanze hier in Vikersund die Schwierigste aller Flugschanzen ist. Somit sollte es auch möglich sein, Skifliegen für Frauen auf den anderen Schanzen auszutragen."
Der Zusatzaufwand für die Veranstalter bei gemeinsamen Veranstaltungen von Frauen und Männern wie in Vikersund sei "kaum vorhanden, denn es ist ja bereits alles da. Die Schanze ist präpariert, die Infrastruktur steht und die TV-Produktion ebenso." Auch deshalb sei die Raw-Air-Tour in Norwegen ein Erfolgsmodell.
Männer und Frauen absolvierten in diesem Jahr erstmals alle Stationen gemeinsam. Wenn man auch im restlichen Weltcup-Kalender an diesem Punkt sei, "können wir das Frauen-Skispringen weiterentwickeln, ohne zu sehr an Gleichberechtigung zu denken. Denn dann ist die Gleichberechtigung da und müssen nicht mehr darüber reden. Dafür sollte jeder, der in unserem Sport eine Führungsposition hat, kämpfen."
Skifliegen der Männer bald "noch spektakulärer und interessanter"?
Clas Brede Bråthen hätte gerne bereits 2022 ein Skifliegen für die Frauen in Vikersund gesehen, welches vom zuständigen FIS-Komitee jedoch nicht abgesegnet wurde. Deswegen sei in erster Linie wichtig gewesen, "dieses erste offizielle Skifliegen nach Norwegen zu holen".
Das Format, dass die besten 15 Athletinnen der Raw-Air-Gesamtwertung teilnehmen dürfen, sei zwar zweitrangig gewesen, habe ihn jedoch auf eine Idee gebracht, wie auch die Wertung bei den Männern noch interessanter gestaltet werden könnte: "Wir haben gesehen, dass es das Ganze noch spektakulärer und interessanter macht. Und diesen Ansatz sollten wir für die Herren auch übernehmen. Ich kann Ihnen noch keine Zahl nennen, aber diese Art von Finale finde ich attraktiv."
Somit könnte die Rückkehr der Station Trondheim nach erfolgreicher Renovierung der Schanzen für die WM 2025 nicht die einzige Verfeinerung der nächsten Raw-Air-Ausgabe im März 2024 sein.
Luis Holuch


