Gold bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking, Gold bei der WM 2019 sowie der zurückliegenden Heim-WM in Oberhof: Denise Herrmann-Wick ist momentan DAS Aushängeschild im deutschen Biathlon - und bewahrte die DSV-Frauen in den letzten Jahren vor einer waschechten Krise. Spekulationen um ihre Zukunft machen jedoch Sorgen.
Nach ihrem Wechsel vom Ski-Langlauf zum Biathlon im Jahr 2016 benötigte Denise Herrmann-Wick kaum Anlaufzeit, um sich einen Platz in den durchaus prall gefüllten Geschichtsbüchern des DSV zu sichern: Bereits 2017 feierte die Sächsin, die bei den Olympischen Winterspielen 2014 noch Bronze mit der Langlauf-Staffel gewann, ihre ersten beiden Weltcupsiege. 2019 folgte bei der WM in Östersund der erste Gold-Coup auf ganz großer Bühne.
Sieben Jahre nach Herrmann-Wicks ersten Auftritten im Biathlon-Weltcup ist die Vita der 34-Jährigen mit Erfolgen und Medaillen gefüllt, das Ende der beeindruckenden Laufbahn scheint allerdings nicht mehr in all zu weiter Ferne zu liegen.
Bereits nach Herrmann-Wicks Olympiasieg orakelten nicht wenige Experten ein Karriereende herbei. Der Triumph bei der Heim-WM in Oberhof ließ die Stimmen zuletzt nicht unbedingt verstummen.
Biathlon: Das sagt Denise Herrmann-Wick zu ihrem Rücktritt
Umso spitzer dürften die Ohren gewesen sein, als die Skijägerin beim "Bayerischen Rundfunk" unlängst über ein mögliches Karriereende sinnierte.
"Aktuell gibt mir das Leben noch eine Waffe und Langlauf-Ski", eröffnete Herrmann-Wick, schob dann aber nach: "Ich habe mir eigentlich schon 2022 gedacht‚ jetzt sollte ich eigentlich aufhören, 2023 kann eigentlich nur schlechter werden."
Außerdem habe sie seit einiger Zeit "einen Moment im Kopf, der gut passt". Dass Herrmann-Wick im Frühjahr ihren Rücktritt verkündet, ist wohl nicht auszuschließen.
Sollte es dazu kommen, steht der Deutsche Ski-Verband vor einer Mammutaufgabe. Da mit Franziska Preuß die wohl talentierteste deutsche Biathletin hinter Herrmann-Wick seit Jahren mit mentalen und körperlichen Problemen kämpft, droht dem deutschen Biathlon eine Talsohle.
Klar, bei der WM deuteten mit Sophia Schneider und Hanna Kebinger zwei Biathletinnen aus der zweiten Reihe mit Top-10-Ergebnissen an, dass sie in der Weltelite mitmischen können. Zur absoluten Spitze fehlt aber noch ein Stück. Der Druck dürfte zudem enorm steigen, wenn Herrmann-Wicks Erfolge wegfallen.
Biathlon-Ikonen ein Geschenk für den DSV - und Teil des Problems
"Mir wird nicht angst und bange, weil es mehrere gibt, die nachkommen", gab sich Deutschlands einstige Biathlon-Überfliegerin Laura Dahlmeier im Gespräch mit der "dpa" zuletzt zwar zuversichtlich.
Die siebenfache Weltmeisterin stellte aber auch heraus, dass sie auf eine starke Rückkehr von Preuß hofft, "hinter der sich die Jüngeren wieder verstecken können".
Zur Wahrheit gehört zudem, dass Dahlmeier ein Stück weit selbst Teil des Problems ist. Dass die Garmisch-Partenkirchenerin 2019 mit nur 25 Jahren das Ende ihrer Laufbahn verkündete, ist selbstredend eine persönliche Entscheidung, die man uneingeschränkt respektieren muss.
Was die deutsche Biathlon-Landschaft Dahlmeier während ihrer kurzen Karriere zu verdanken hat, ist zudem kaum zu beziffern.
Dass allein das regelmäßige Duell mit der Lichtgestalt sowie Dahlmeiers Erfahrungsschatz ein ausgezeichneter Nährboden für den deutschen Biathlon-Nachwuchs gewesen wären, lässt sich dennoch nicht verhehlen.
Zumal quasi unmittelbar vor dem Start von Dahlmeiers Bilderbuchkarriere in Magdalena Neuner eine Athletin im Alter von erst 25 Jahren ihre Laufbahn beendete, die den Sport prägte wie kaum eine andere.
Zwei Biathlon-Talente schüren Hoffnung
Zu erwähnen, dass die deutschen Biathletinnen die Szene mit Neuner, Dahlmeier und Herrmann-Wick in den letzten Jahren wohl nach Belieben beherrscht hätten, bleibt letzten Endes ein müßiges Gedankenspiel.
Die Realität heißt hingegen: Abhängigkeit von den Erfolgen Herrmann-Wicks sowie die Angst vor den trüben Aussichten, die ein Abschied des Top-Stars von der großen Bühne mit sich brächte.
Hoffnungsschimmer gibt es allerdings: Mit Selina Grotian gewann ein DSV-Talent mit gerade einmal 18 Jahren bei der EM 2023 in Lenzerheide den Titel in der Verfolgung und Bronze im Einzel. Mit Lisa Spark (22) sicherte sich eine weitere deutsche Hoffnungsträgerin den Titel über 15 Kilometer.
Die Zukunft könnte also auch ohne Herrmann-Wick eine strahlende sein. Viel Zeit, sich an das Rampenlicht zu gewöhnen, wird dem Nachwuchs allerdings nicht bleiben.
Marc Affeldt

