Dem Skispringen droht ein handfester Skandal. Im Fokus steht einmal mehr das Material, genauer gesagt die Anzüge, deren Maße streng reglementiert sind. Ein Insider packt nun aber aus und behauptet, dass selten ganz genau hingeschaut wird.
"Zurzeit kann ich die Anzugskontrollen nicht ernst nehmen", wird ein noch aktiver Skispringer vom Schweizer "Blick" zitiert. Um wen es sich handelt, lässt die Zeitung allerdings offen.
Klar ist derweil, dass der Athlet am vergangenen Wochenende am Kulm auf Weitenjagd ging und dabei ebenfalls auf die Regeln pfiff. "Das Volumen war zu groß", gab der Skispringer auf Nachfrage zu, dass sich die Maße seines Anzuges nicht im Regelbereich befanden. Die Kontrolle habe er allerdings völlig problemlos passiert.
Hilfreich dabei ist ein simpler Trick, der allerdings offenbar genügt, um das System auszuhebeln: "Ich ziehe den Anzug nach oben, sodass an meinen Schultern vorübergehend deutlich mehr Stoff ist. Dadurch erreiche er, dass die geforderte Beinlänge eingehalten wird, habe defacto beim Sprung jedoch mehr Volumen im Schritt, was einen weiten Flug eindeutig begünstigt.
"Es betrügen praktisch alle, da muss ich mitziehen, sonst habe ich keine Chance", spielte der Sportler seine Trickserei herunter und deckte zugleich auf, dass in der Skisprung-Szene derzeit angeblich regelmäßig mit gezinkten Karten gespielt wird - wohl auch, da die Verbände zu lange untätig blieben.
"Man hätte früher durchgreifen müssen. Jetzt sind die Kontrolleure machtlos, sonst müssten sie das halbe Starterfeld disqualifizieren", ist sich der anonyme Whistleblower sicher.
Skispringen: Agieren am "Limit und darüber hinaus"
Auffallend: Selbst der Schweizer Trainer Martin Künzle macht keinen Hehl daraus, dass man das Regelwerk bewusst etwas dehnt.
"Wenn du bei den anderen Anzügen siehst, die nicht regelkonform erscheinen, aber durch die Kontrollen kommen, musst du handeln", sagte er. Inzwischen gehe man ebenfalls "ans Limit und darüber hinaus, solange es durchgeht".
Konkret wird der Schweizer Springer Gregor Deschwanden genannt, der infolge der Anpassungen deutlich bessere Ergebnisse erzielte.
Der "Blick" hakte nach und konfrontierte Christian Kathol mit den Aussagen. Der Material-Chef des internationalen Skisprungverbands ist sich der Probleme durchaus bewusst.
Betrug im Skispringen? Konsequenzen bereits in Planung
Die Messungen würden aktuell von Hand durchgeführt und könnten daher nicht immer "zu 100 Prozent präzise sein", zudem mangele es an Personal und Zeit, um alle Springer "vollumfänglich" zu prüfen, erklärte Kathol.
Wenn alle Athleten einer Top-Nation, die sieben Starter im Feld hat, mit irregulären Anzügen starten würden, "kommen zwei oder drei Athleten damit durch", meinte Künzle in diesem Zusammenhang. Eine Aussage, die angesichts der brisanten Enthüllungen noch geschönt erscheint.
Besserung ist allerdings in Sicht. Künftig will man auf elektronische Messungen setzen und ein gestutztes Regelwerk soll die Kontrollen weniger kompliziert gestalten.

