Halvor Egner Granerud fliegt in Oberstdorf allen davon. Nach seinem kometenhaften Aufstieg vom Kindergärtner zum Skisprung-Star und zwei glücklosen Anläufen schielt der Norweger mehr denn je auf den Tournee-Gesamtsieg.
Als Halvor Egner Granerud seine Freude in den Allgäuer Abendhimmel schrie, staunte auch Karl Geiger nicht schlecht. "Das ist schon irre. Er springt gerade auf einem anderen Level", musste der derzeit beste deutsche Skispringer eingestehen - zurecht.
Mit seiner Flugshow zum Tournee-Auftakt in Oberstdorf überragte Granerud die gesamte Konkurrenz - und fährt als großer Favorit zum Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen am Sonntag (14:00 Uhr/ARD und Eurosport).
Ob in Probesprüngen, Qualifikation oder Wettbewerb, immer war der Norweger vorne. Im Wettkampf am Donnerstag verkürzte sein Trainer Alexander Stöckl zweimal den Anlauf, zweimal sprang Granerud dennoch Bestweite. "Der erste Sprung war meiner Meinung nach der beste, den er diese Saison gemacht hat", lobte Stöckl seinen Schützling.
Schon jetzt hat Granerud über 13 Punkte Vorsprung - umgerechnet siebeneinhalb Meter - auf den zweitplatzierten Piotr Zyla. Nach seinem kometenhaften Aufstieg vor zwei Jahren könnte es im dritten Anlauf nun endlich mit dem Tournee-Gesamtsieg klappen.
Granerud wird vom Aushilfs-Kindergärtner zum Skisprung-Star
Angetrieben durch eine völlig verkorkste Saison und der Corona-Pandemie geschuldet hatte Granerud 2020 noch als Kindergärtner gearbeitet. Nur wenig später schaffte der damals 24-Jährige in seinem sechsten Weltcup-Jahr den Durchbruch - und wie.
Ohne Podestplatzierung war er in die Saison 2020/21 gestartet, vor der 69. Vierschanzentournee gewann er dann fünf Weltcups in Folge. Selten war die Favoritenrolle im Vorfeld der Tournee so klar verteilt. Doch zwei verkorkste Springen in Innsbruck und Bischofshofen warfen den bis dahin führenden Granerud aus dem Rennen, ihm blieb der überlegene Gewinn des Gesamtweltcups.
Nach Platz drei bei der Tournee im vergangenen Jahr scheinen die Voraussetzungen auf einen Gesamtsieg nie besser gewesen zu sein als in dieser Saison. "Er ist voll im Flow", sagte DSV-Trainer Stefan Horngacher, aber: "Er hat sich auch den großen Rucksack abgeholt, den muss er jetzt mitschleppen."
Granerud selbst blieb nach seiner spektakulären Vorstellung gelassen. "Ich fühle mich gut, aber wir stehen erst bei zwei von acht Sprüngen", sagte der 26-Jährige. Vor dem Springen in Garmisch, wo er im vergangenen Jahr mit Platz acht seine Tournee-Hoffnungen begraben musste, ist er selbst "gespannt, ob ich dieses Level halten kann".
Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird der Konkurrenz wohl nicht viel mehr bleiben als die erneute Zuschauerrolle bei der nächsten norwegischen Flugshow.