Deutschlands Skisprung-Ikone Sven Hannawald hat in emotionalen Worten auf die schweren psychischen Probleme zurückgeblickt, die 2004 zu seinem Karriere-Ende führten.
"Schon 2003 war ich ständig schlapp. Meine Symptome ähnelten denen von Pfeifferschem Drüsenfieber. Aber das hatte ich nicht. Ich rannte von einem Arzt zum nächsten. Keiner konnte etwas finden. Es hieß immer nur: 'Wow, Spitzensportler! Sie haben Top-Werte'", schilderte Hannawald im Interview mit der "Apotheken-Umschau".
"24 Stunden am Tag, an sieben Tagen die Woche" sei in seinem Kopf ums Skispringen gegangen, so der Sieger der Vierschanzentournee von 2002. "Aber ich hatte keine Zeit, mich besser um mich zu kümmern. Ich hatte Erfolg. Ich hatte Blut geleckt. Ich wollte nicht um hintere Plätze springen. Ich wollte ganz vorne dabei sein. Halbe Sachen sind nicht mein Ding."
Diagnose Burnout "eine Erlösung" für Sven Hannawald
Im Urlaub 2004 sei es ihm dann "besonders schlecht" gegangen, sagte Hannawald. "Ich konnte die Ruhe um mich herum kaum aushalten, fühlte mich wie ein gehetztes Tier. Innerlich war ich erstarrt."
Er habe daraufhin einen Arzt für Psychosomatik aufgesucht. "Der sprach eine halbe Stunde mit mir – und hatte eine sehr eindeutige Diagnose", sagte Hannawald, bei dem ein Burnout-Syndrom festgestellt wurde.
Der 47-Jährige führte aus: "Für mich war das eine totale Erlösung. Endlich wusste ich, was mit mir los war, und konnte etwas dagegen tun. Mein Plan: schnell in eine Klinik gehen, mir erklären lassen, was ich falsch mache, mir ein paar Tipps abholen, was ich besser machen kann – und dann schnell wieder fit werden, um für die anstehende Saison trainieren zu können."
"Ich musste meine Liebe, das Skispringen, gehen lassen"
Doch Hannawalds Plan ging nicht auf. "Ich konnte in der Klinik gut abschalten. Doch sobald ich nur an Skispringen gedacht habe, wurde mein Körper unruhig. Ich konnte nicht schlafen, war schweißgebadet. Am Anfang haben mir Medikamente geholfen. Durch die Tabletten kam ich abends zur Ruhe."
Nach dem Ende des Klinikaufenthalts habe ihn beim Versuch der Rückkehr ins Training ein Gefühl "von extremer Unruhe und Stress, das ich schon längst überwunden glaubte" übermannt, sagte Hannawald. "Mir war klar, wenn ich dieses Gefühl jetzt ignoriere, lande ich wieder in der Klinik. Mein Körper sagte ganz klar: Lass es. Und ich habe auf ihn gehört. Das war der schwerste Tag meines Lebens. Ich musste meine Liebe, das Skispringen, gehen lassen."
Heute ist Hannawald mit seinem Leben zufrieden. Der Job als ARD-Experte mache ihm "total Spaß", schwärmte der Olympiasieger von Salt Lake City.
Eine Rückkehr auf die Schanze, und sei es nur für den ein oder anderen Sprung, ist allerdings ausgeschlossen.
"Skispringen ist ein Vertrauenssport. Ich wüsste zwar noch genau, worauf es ankommt. Aber ich vertraue dem nicht mehr. Dieser Sport ist - anders als Tennis oder Fußball - zu gefährlich, um es einfach wieder zu probieren", sagte Hannawald.


