Niklas Kaul winkte noch kurz ins Publikum, dann verließ er unverrichteter Dinge das Leichtathletik-Stadion von Ratingen. "Ich hatte echt Kopfschmerzen und Schwindel", sagte der Zehnkampf-Weltmeister. Anstatt das ersehnte Ticket für die Heim-EM zu buchen, musste Kaul seinen mit Spannung erwarteten ersten Wettbewerb der Saison vorzeitig abbrechen.
Die beste Nachricht des Tages verbreitete der deutsche Sportler des Jahres dann am Abend in den Sozialen Netzwerken. Leider, so Kaul, habe er den Zehnkampf aufgrund "einer kleineren Verletzung" abbrechen müssen. Doch diese werde "den weiteren Verlauf der Saison nicht gefährden". Seinen Post bei Instagram unterschrieb er mit dem Hashtag "#roadtomunich".
Entwarnung in Sachen Gesundheit - doch ein dickes sportliches Fragezeichen bleibt. Denn für die Europameisterschaft in München (15. bis 21. August), für Deutschlands überragenden Mehrkämpfer das "Highlight des Jahres", muss Kaul noch die Norm von 8100 Punkten abliefern. Mit dem prestigeträchtigen Meeting Ende Mai in Götzis und der WM in Eugene (15. bis 24. Juli), für die der 24-Jährige als Titelverteidiger eine Wildcard besitzt, bleiben zwei Möglichkeiten.
Kaul bleibt unter seinen Möglichkeiten
In Ratingen blieb Kaul, der 2019 in Doha als jüngster Zehnkampf-Weltmeister in die Geschichte einging, in den ersten vier Disziplinen deutlich unter seinen Möglichkeiten. Während der Schweizer Simon Ehammer mit 8,30 m so weit sprang wie vor ihm noch kein Mehrkämpfer zuvor, hatte der Mainzer am meisten mit sich selbst zu tun.
Zu den 400 m trat er noch an, hörte aber nach wenigen Schritten auf zu laufen und musste wie der WM-Dritte Kai Kazmirek abbrechen. Es machte keinen Sinn mehr. Eine Fortsetzung des Wettkampfes, so formulierte es Zehnkampf-Teamleiter Frank Müller, "wäre unverantwortlich gewesen".
Unterm Strich bleibt eine ernüchternde Statistik: Seit seinem Gold-Coup von Doha 2019 hat Kaul nur einen Zehnkampf beendet. 2021 in Götzis schaffte er 8263 Punkte - ein Wert also, der für die EM-Quali reichen würde.
Ehammer (8354 Punkte) siegte letztlich im Zehnkampf von Ratingen, der Ulmer Tim Nowak schaffte als Zweiter mit 8160 Punkten die EM-Norm. Bei den Frauen gelang dies der Siegerin Sophie Weißenberg (Leverkusen/6273), die die frühere Vizeweltmeisterin Carolin Schäfer (6170) schlug. Beide verpassten die WM-Norm allerdings deutlich.