Maria Höfl-Riesch kann sich gut in Mikaela Shiffrin hineinversetzen. Sie war selbst über Jahre die Gejagte. Und wenn es einmal schief ging, stand auch sie beim nächsten Rennen noch mehr unter Druck.
Shiffrin, glaubt Höfl-Riesch, könnte wie Petra Vlhova oder Wendy Holdener nach dem verpatzten Olympia-Riesenslalom ins Grübeln gekommen sein. Und das wiederum sei "ein kleiner psychologischer Vorteil" für Lena Dürr, sagte sie dem "SID".
Dürr hat in Peking die wohl größte Chance auf eine deutsche Alpin-Medaille. Die 30-Jährige fährt die beste Saison ihrer Karriere, wurde dreimal Dritte.
Den Sieg machten in den sieben Rennen stets Shiffrin (2) und Vlhova (5) unter sich aus, zum Auftakt im "Riesen" aber hatten sie Probleme mit dem Kunstschnee.
Dürr dagegen verzichtete auf das Rennen und fuhr stattdessen im Training "viele, viele Slalom-Schwünge", um sich vor dem Rennen am Mittwoch an die knifflige Unterlage zu gewöhnen. "Von Tag zu Tag", habe sie Sicherheit gewonnen, sagte sie, "jetzt bin ich parat."
Wie wichtig diese Selbstgewissheit ist, weiß kaum eine besser als Dürr. In jungen Jahren als potenzielle Erbin der dreimaligen Olympiasiegerin Höfl-Riesch gehandelt, verlor sie Rückschlag für Rückschlag ihr feines Gespür fürs Skifahren, bis sie vor gut zwei Jahren aus dem Leistungskader flog.
"Viel gelernt", habe sie dadurch, sagte Dürr, Frauen-Cheftrainer Jürgen Graller sah bei ihr eine "Persönlichkeitsentwicklung".
Lena Dürr setzt neue Trainingsreize
Im Sommer setzte sie neue Trainingsreize, in den Winter ging sie mit einem neuen Servicemann und besserer Materialabstimmung - wichtige Schlüssel auf dem Weg in die Weltspitze.
"Vom Gefühl her stehe ich anders am Start", sagte Dürr. Und nach dem Slalom auf dem Podest? "Sie ist definitiv eine Medaillenkandidatin", behauptet Höfl-Riesch. Im Gegensatz zur Konkurrenz "liegt Lena dieser aggressive Kunstschnee, sie ist eine gefühlvolle Fahrerin".
Dürr selbst redet nicht gerne über ihre Medaillenchance. Aber, sagte sie, "ich wüsste nicht, dass ich die letzten Jahre so viel Lust und Freude hatte" bei dem, was sie tue. Und das sei noch immer die beste Voraussetzung für Erfolg.

