Nach nicht weniger als neun Corona-bedingten Ausfällen bei den deutschen Handballern vor dem EM-Gruppenspiel gegen Polen standen die Zeichen am Dienstag bereits auf Resignation.
Wie sollte das DHB-Team überhaupt eine konkurrenzfähige Truppe auf die Platte bringen, nachdem unter anderem mit dem Torhütergespann Andreas Wolff und Till Klimpke sowie Marcel Schiller, Julius Kühn, Kai Häfner und Timo Kastening fast die komplette Stammformation ausgefallen war? Die Antwort lieferten die Übriggebliebenen am Dienstagabend höchst selbst.
Vor allem einer griff die Gelegenheit beim Schopfe und machte das Polen-Spiel zu seiner persönlichen Sternstunde: Julian Köster vom Handball-Zweitligisten VfL Gummersbach.
Der 21-Jährige kam im Turnierverlauf bis zum dritten Gruppenspiel gegen Polen praktisch noch gar nicht für Bundestrainer Alfred Gislason infrage, musste sich im Rückraum hinter den etatmäßigen Kräften um Philipp Weber, Julius Kühn und Sebastian Heymann anstellen.
Gegen Polen folgte dann der große Auftritt des Jung-Nationalspielers, der bisher ohne jede Turniererfahrung für die deutsche A-Nationalmannschaft und ohne bisher jemals Bundesliga gespielt zu haben einen furiosen Auftritt hinlegte (sport.de-Note 1,0).
Gislason jubelt: "Wächst ein sehr kompletter Spieler heran"
Köster stand knapp 31 Spielminuten auf der Platte, hatte bei seinen sechs Torabschlüssen keinen einzigen Fehlwurf dabei. Der gebürtige Bielefelder traf aus der zweiten Reihe ebenso wie nach explosiven Eins-gegen-Eins-Situationen, steuerte zudem mehre kluge direkte Torvorbereitungen bei.
Nach dem hochverdienten 30:23 für Deutschland strahlte der Zweitliga-Spieler über das ganze Gesicht, als er zum "Player of the Match" ausgezeichnet wurde. Wohlwissend, dass ihm da gerade wohl der Durchbruch auf dem internationalen Handball-Parkett gelungen war.
Seine Teamkollegen und vor allem sein Cheftrainer Alfred Gislason waren nach der Partie ebenso begeistert wie die knapp 2.500 Zuschauer im slovakischen Bratislava.
"Nicht nur die Tore, sondern auch seine Übersicht", hätten dem Bundestrainer außerordentlich gut gefallen, meinte Gislason nach dem überraschend starken DHB-Auftritt über seinen jüngsten Schützling im "ZDF". "Und er ist trotz seiner 2,01 Meter unglaublich gut im Eins-gegen-eins. Da wächst ein sehr kompletter Spieler bei uns heran", fügte der Isländer hinzu.
Linkshänder Christoph Steinert, der im gereiften Handballer-Alter von 32 Jahren plötzlich ebenfalls wie nie zuvor im Fokus steht und Kai Häfner im rechten Rückraum glänzend vertrat, zeigte sich fast schon erstaunt darüber, wie stark Nebenmann Köster in Angriff und Abwehr aufspielte: "Was Julian gezeigt hat, war absoluter Wahnsinn."
DHB-Team setzt die Handball-EM am Donnerstag fort
Der Gefeierte selbst zeigte sich nach seinem glanzvollen Auftritt emotional ebenfalls angefasst: "Es freut mich unfassbar, dass es so läuft. Das war ein Auf und Ab der Gefühle. Morgens die Nachricht von weiteren positiven Fällen und abends dann ein Sieg gegen Polen mit überragender Teamleistung. Mit Glücksgefühlen geht man nun aus dem Tag raus", sagte Köster nach seinem Sechs-Tore-Auftritt, der ihn spätestens jetzt in den Fokus der ganz großen Handball-Klubs auf diesem Kontinent bringen dürfte.
Ob der Durchstarter nun wirklich den höchsten Ansprüchen genügt, darf Köster in den kommenden Tagen bei der Handball-EM unter Beweis stellen. Dann stehen die Hauptrunden-Duelle mit Spanien (20. Januar), Norwegen (21. Januar) und Schweden (23. Januar) an, die allesamt zum Favoritenkreis bei diesem Turnier zählen.









