Manchester United soll unter Ralf Rangnick endlich wieder um Titel mitspielen. Bei den Red Devils fiel er aber zum Start eher mit nüchternem Ergebnisfußball auf: Viel Disziplin und Ordnung, wenig Glanz. Doch die Handschrift des neuen Heilsbringers ist schon zu erkennen.
An Heiligabend war Ralf Rangnick offiziell drei Wochen im Amt. Nach drei Spielen in sieben Tagen kehrte aufgrund zweier coronabedingter Spielausfälle etwas Ruhe im Old Trafford ein. Die knapp zwei Wochen spielfreie Zeit dürfte dem 63-jährigen "Professor" aber gelegen gekommen sein: Zeit, um den Verein besser kennenzulernen und seine Spielphilosophie zu vermitteln.
Vor dem Auswärtsspiel bei Newcastle United (ab 21:00 Uhr im Live-Ticker auf sport.de) fällt die Zwischenbilanz positiv, wenn auch minimalistisch aus: Zwei Siege in der Premier League (jeweils mit 1:0) und ein 1:1-Unentschieden im unbedeutenden letzten Gruppenspiel gegen die Young Boys aus Bern.
Ein Spiel, das man eigentlich aus der Wertung nehmen kann: Rangnick stellte im Vergleich zu seinem Debüt auf allen elf Positionen um und setzte vor allem auf die zweite Garde.
Apropos Umstellung: Rangnicks erste Amtshandlung in den beiden Ligaspielen gegen Crystal Palace und bei Norwich City war die Grundformation. Unter Vorgänger Ole Gunnar Solskjaer war dies in der Regel ein 4-2-3-1, der einstige Bundesliga-Coach setzte auf ein 4-4-2 mit Doppelsechs. Scott McTominay und Fred bildeten die defensive Absicherung, Cristiano Ronaldo bekam mit Marcus Rashford einen zweiten Stürmer an die Seite gestellt.
Der "God of Gegenpressing" zeigt seine Handschrift
Rangnicks Schützlinge boten keinen Fußball an, der auf den ersten Blick schöner anzusehen war - aber es war ein erfolgreicher, mit Ordnung und Disziplin gegen den Ball. Erstmals in dieser Saison stand in zwei Ligaspielen hintereinander die Null. Und so war der neue Teammanager erst der zweite United-Coach nach Ernest Mangnall im Jahre 1903, der mit zwei Weißen Westen startete.
Interessant der Blick auch auf die Daten: Die Handschrift des "God of Gegenpressing", wie Rangnick von der englischen Presse bezeichnet wurde, war bereits in Ansätzen zu erkennen. In nur zwei weiteren Spielen dieser Saison hatten die Red Devils annähernd so viele Ballgewinne (60 gegen Palace, 61 gegen Norwich).
Auffällig war vor allem, wo diese stattfanden: Beim 1:0 gegen Crystal Palace waren es zwölf im offensiven Drittel. Das wurde in keinem Ligaspiel in dieser oder der vergangenen Spielzeit überboten. Auch der 36-jährige Cristiano Ronaldo – der wohl größte Superstar im Team – arbeitete mit. Drei Ballgewinne des Portugiesen im offensiven Drittel beim Rangnick-Debüt waren so viele wie in den elf Spielen zuvor zusammen. Kein Zufall.
Dass die Red Devils deutlich bissiger zu Werke gingen, zeigen auch die 16 bzw. 17 Fouls in den ersten beiden Partien. Zuvor zeigte sich der Rekordmeister mit zehn Fouls pro Spiel etwas zahmer.
Rangnick möchte den Kader verjüngen
Ob dies nur ein Aufflackern war oder ob Rangnick dauerhaft den Erfolg nach Manchester zurückbringt, muss sich erst noch zeigen. Denn: Es war noch lange nicht alles Gold, was glänzte. Dass in David de Gea im zweiten Spiel ein Torhüter zum "Man of the Match" gewählt wurde, spricht nicht für neu gewonnene Stabilität. Das weiß auch der neue Heilsbringer an der Seitenlinie.
Zudem: Der Kader ist einer der ältesten in der Premier League, 28 Jahre beträgt das Durchschnittsalter. Rangnicks Auftrag als "einer der angesehensten Innovatoren im europäischen Fußball" (O-Ton von United-Fußballdirektor John Murtough) wird auch sein, das Team zu verjüngen und von seinem ausgezeichneten Netzwerk Gebrauch zu machen.
Jadon Sancho: Rangnick buhlte um den Ex-Dortmunder
Wie wichtig ihm die Arbeit mit jungen Spielern ist, hatte Rangnick bereits beim Amtsantritt erklärt. Namentlich nannte er Mason Greenwood, Marcus Rashford und Jadon Sancho, um die er die Mannschaft aufbauen will. Um letzteren bemühte sich Rangnick bereits als Sportlicher Leiter bei RB Leipzig.
Nun ist es seine Aufgabe, den 85-Millionen-Transfer endlich in die Spur zu bekommen.
Gerade einmal zwei Tore, und wohlgemerkt keine einzige Vorarbeit, stehen in 19 Pflichtspielen auf Sanchos Konto. Ein Anfang unter Rangnick ist gemacht, mehr aber auch nicht: In beiden Ligaspielen stand der Ex-Borusse in der Startelf, wurde jedoch beide Male nach knapp einer Stunde gegen Mason Greenwood ausgewechselt.
Das Gastspiel beim Tabellenvorletzten Newcastle United ist nun eine Pflichtaufgabe und Chance zugleich, den neuen Spielstil zu proben. Ein Sieg ist auch deshalb wichtig, wenn Manchester United mit drei Nachholspielen in der Hinterhand noch einmal ganz oben anklopfen möchte.
Eines ist Rangnick indes bereits sicher: Mit seinem 1:0 zum Auftakt gegen Crystal Palace wurde er zum ersten deutscher Trainer, der sein Premierenspiel in der Premier League gewann. Felix Magath, Jürgen Klopp, Jan Siewert, Daniel Farke und Thomas Tuchel hatten dies vergeblich versucht.
Lars Wiedemann

































