Der erste Sieger bei Ninja Warrior Germany Allstars steht fest: Sportkletterer Kim Marschner gewinnt das "Duell der Besten" und hat dabei im Parcours mehrfach neue Maßstäbe gesetzt - und das obwohl, oder gerade weil sein Herz eigentlich dem Klettersport gehört.
Wie hat Kim nach zwei zweiten Plätzen seinen ersten Ninja-Sieg erlebt? Wir haben exklusiv mit ihm darüber gesprochen.
Im sport.de-Interview verrät der 23-Jährige außerdem, welcher Athlet sein Angstgegner in diesem Format war, welche Rolle das Preisgeld im Parcours spielt und auch, warum die Olympischen Spiele 2024 für ihn wichtiger als jeder Ninja-Erfolg sind.
Kim, das Publikum hat es gerade erfahren, du hattest aber schon ein paar Wochen Zeit, das Finale zu verarbeiten. Wie hast du deinen Sieg erlebt?
Kim Marschner: Natürlich habe ich mich riesig gefreut, aber am Abend selbst war ich viel zu erschöpft, ich konnte erstmal gar nicht so aus mir herauskommen. Ich habe es dann erst in den nächsten Tagen so richtig realisiert. Ich dachte immer, dass man bestimmt erstmal feiert, wenn man so etwas gewinnt, aber mir war in dem Moment gar nicht danach. Es war ja ein sehr anstrengender Tag, der Druck ist von Runde zu Runde gestiegen. Wenn man vier Läufe an einem Tag hat, kommt man zwischendurch nicht zur Ruhe. Das bin ich gar nicht gewöhnt, bei Kletter-Wettkämpfen weiß ich, wann ich starte und wann ich fertig bin. Und dann kann ich abschalten, bis es am nächsten Tag weitergeht.
Wie ist das, wenn man sich anschließend im Fernsehen sieht?
In der Show ist man meistens im Tunnel und nimmt gar nicht so wahr, was man in dem Moment macht. Da passiert viel automatisch und es gibt schon Aha-Momente, wenn man es dann im Fernsehen sieht. Und man sieht natürlich, wenn man mal eine Grimasse schneidet, aber das gehört halt dazu, das ist mir auch nicht mehr unangenehm.
Wolltest du das Ding von Anfang an gewinnen?
Es war auf jeden Fall ein Ziel von mir, die Show zu gewinnen. Aber ich wusste, dass die Chancen, beim Allstars-Format einen Fehler zu machen, viel größer sind. Ich habe mir vorher nicht so hohe Chancen auf den Sieg ausgerechnet wie bei der normalen Staffel, weil man ja schon in der Vorrunde auf einen extrem starken Gegner treffen kann.
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Wir haben das ja beim Duell zwischen Oli Edelmann und René Casselly gesehen, da kann es einfach schon im zweiten Lauf vorbei sein.
Hast du dir vorher Druck gemacht, weil du bisher "nur" Zweiter wurdest?
Nein, ich wusste, dass es schwieriger wird, als bei der normalen Staffel Last Man Standing zu werden – und das habe ich ja auch noch nie geschafft. Ich möchte bei jedem Wettkampf immer mein Bestes geben und wenn das Beste dann nicht reicht, ist es auch okay. Es bringt nichts, sich da Druck zu machen.
War es für dich psychologisch ein Vorteil, dass Alexander Wurm früh ausgeschieden ist? War er dir als Angstgegner im Kopf, weil du in der regulären Show zweimal nur an ihm gescheitert bist?
In diesem Format habe ich René Casselly noch stärker eingeschätzt als Alex Wurm. Wenn ich einen Angstgegner nennen müsste, wäre es René. Ich wusste, dass Alex eher effizient und etwas gemütlicher unterwegs ist. Aber natürlich zählte auch er zu den Favoriten und wenn man gewinnen will, bringt es einen ein Stückchen näher an den Sieg, wenn ein Favorit ausscheidet.
Man freut sich aber auf keinen Fall darüber. Gerade mit Alex verstehe ich mich auch extrem gut, wir kennen uns schon lange vom Klettern. Für ihn fand ich es natürlich schade, es wäre auch cool gewesen, im Finale gegen ihn am Power Tower zu stehen.
Du bist ins Duell mit Benni mit Vollspeed gestartet und hast an der endlosen Himmelsleiter anfangs zwei Sprossen auf einmal genommen. Bist du volles Risiko im Finale gegangen – und wie leicht fiel dir das?
Dadurch, dass wir den Parcours vorher testen durften, war ich mir sicher, dass ich die Hindernisse in dem Tempo durchziehen kann und keinen Fehler mache. Klar, man kann trotzdem ins Wasser fliegen, wenn nur ein Tritt falsch sitzt, aber das kann auch passieren, wenn man es ein bisschen langsamer macht.
Ich kann ganz gut einschätzen, wo meine Grenze ist und ich glaube, mehr Tempo wäre nicht gegangen, bei den meisten Sachen habe ich schon das Maximum herausgeholt. Vielleicht hätte ich beim Testen noch mehr Risiko gehen können, aber im Lauf habe ich die Hindernisse so gemacht, wie ich sie auch getestet hatte. Alles andere ergibt für mich auch keinen Sinn – wenn man im Parcours ein Risiko eingeht, das man nicht getestet hat, ist es auch schnell vorbei.
Du hast die Sprungfedern im Duell mit Philipp Hans ohne Zwischenschwünge gemacht, das dürfte Kult-Potenzial haben. Hast du das auch so getestet? Es hat dir ja niemand nachgemacht.
Ich habe mich beim Testen mit Moritz Hans und ein paar anderen Jungs gefragt, ob das wohl so geht. Dann habe ich erstmal ausprobiert, zwei Federn miteinander zu verbinden. Am Ende der Testzeit habe ich das dann einmal komplett so gemacht wie in der Show. Da waren die meisten schon durch mit dem Testen, ich glaube, das hat kaum noch jemand mitbekommen. Vielleicht war ich deshalb der einzige, der das so probiert hat.
Bei dir sieht alles leicht und locker aus. Wie fühlt es sich eigentlich an?
Körperlich ist die Anstrengung eigentlich auszuhalten, da gibt es Kletterwettkämpfe oder Trainingseinheiten, nach denen ich deutlich platter bin. Aber der Druck im Kopf ist schon enorm und strengt mich am meisten an, der laugt dann auch den Körper aus. Ich kann mit dem Druck gut umgehen und meine Leistung abrufen, aber er macht mich enorm platt.
Was hat mit Blick auf die gesamte Staffel den Ausschlag gegeben, dass du ausgerechnet im speedlastigeren "Allstars"-Format deinen ersten Ninja-Titel holst?
Puh, das ist eine schwere Frage! Ich glaube, dass ich generell durchs Klettern die perfekte Vorbereitung auf Ninja Warrior habe. Man sieht ja auch bei Alex zum Beispiel, dass die Kletterer oft favorisiert sind. Und ich mache das Klettern immer noch hauptberuflich, stehe jeden Tag an der Boulder-Wand und habe mein Krafttraining komplett darauf abgestimmt. Das macht mich wahrscheinlich schon zu einem nahezu perfekten Ninja.
Inwiefern hattest du das Preisgeld im Kopf, kommt man da nicht spätestens im Finale ins Grübeln?
Das hatte ich auf jeden Fall im Kopf, die Summe ist viel zu groß, als dass sie nicht im Kopf sein könnte. Für mich sind 50.000 Euro extrem viel Geld. Das erhöht auf jeden Fall den Druck, aber man versucht natürlich, konzentriert zu bleiben. Wenn das Startsignal kommt, denke ich nicht ans Geld, sondern nur an das Hindernis. Aber in den Pausen denkt man schon darüber nach, dass man den 50.000 Euro langsam nahekommt, darüber redet man natürlich auch.
Also ging dir nicht durch den Kopf, dass du in ein paar Sekunden 50.000 Euro mehr haben könntest, als du mit Sladi am Power Tower standst?
In der Situation habe ich das wirklich komplett ausgeblendet. Ich glaube, das ist nicht gut, wenn man da zu viele Gedanken im Kopf hat. Da konzentriere ich mich nur auf den Power Tower und denke nicht darüber nach, was ich vielleicht mit dem Geld machen könnte.
Hattest du neben deinem Sieg einen Lieblingsmoment in dieser Staffel, der dir in Erinnerung bleiben wird?
Die Sprungfedern aus dem Duell mit Philipp! Als ich die so in einem Schwung durchgegangen bin, habe ich mich schon extrem gefreut, dass es so geklappt hat. Das hat auch einfach voll Spaß gemacht. Es war ein sehr befriedigendes Gefühl, das so perfekt gemacht zu haben. Ich glaube, das war die schnellstmögliche Variante.
Welches Duell hat dich am meisten gefordert?
Wahrscheinlich der Lauf gegen Benni Grams. Das war das Duell, vor dem ich unmittelbar vorher am meisten Angst hatte. Ich wusste ja, dass Benni extrem schnell ist und das Rennen sehr spannend werden dürfte, es hat mich dann auch sehr gefordert.
Aber auch das Duell gegen Philipp Hans hat mir viel Spaß gemacht, weil ich nach den Sprungfedern wusste, dass ich das Rennen wahrscheinlich gewonnen habe und den Rest vom Parcours einfach genießen konnte.
Wie viele andere bist du hauptsächlich Kletterer, auch deine drei Finalgegner kamen vom Klettern oder Parkour. Ihr trainiert kaum ninjaspezifisch, während andere sogar an Ninja-Wettkämpfen teilnehmen. Sind die Ninja-Athlet:innen manchmal ein bisschen genervt, weil die Kletterer so gut sind?
Das habe ich zumindest noch gar nicht mitbekommen. Ehrlich gesagt habe ich aber vor allem zu den Kletterern Kontakt, weil ich die schon lange kenne. Außerhalb der Drehtage habe ich mit den anderen gar nicht viel zu tun und weiß auch gar nicht, wie sie trainieren. Ich kann mir aber vorstellen, dass einige auch angefangen haben zu bouldern, weil das Training im Prinzip das perfekte Training für Ninja Warrior ist.
Gehst du es jetzt bei den regulären Staffeln etwas lockerer an mit dem "Allstars"-Sieg im Rücken?
Ich habe schon den Anspruch, in den kommenden Staffeln auch die normale Show zu gewinnen. Ich bin da nicht extrem verbissen, aber ich habe es mir zum Ziel gesetzt und denke, dass es relativ realistisch ist.
Baust du dafür jetzt selbst auch Ninja-Elemente ins Training ein?
Nein, ich habe noch nie speziell für die Staffeln trainiert. Wir haben in unserer Boulderhalle auch einen Ninja-Parcours, da gehe ich dann eine Woche vor der Show mal rein, aber ich trainiere nicht darauf hin. Ich glaube, das bringt mir auch nichts, weil ich die einzelnen Hindernisse ja kann. Am Ende kommt es auf die Ausdauer an und die kriege ich durchs Klettern und mein normales Training besser.
Die einzige Ausnahme ist das Seil am Mount Midoriyama. Wenn man da gewinnen will, muss man dafür sicher auch trainieren. Das habe ich letztes Jahr vor der Staffel gemacht, um erstmal die Technik zu lernen und die nötige Explosivkraft zu bekommen.
Was bietet dir das Klettern, das der Ninja-Sport nicht leisten kann?
Wahrscheinlich ist es das ganze Umfeld. Beim Klettern habe ich meine Trainingspartner, die Freunde geworden sind. Ich kann es oft mit Reisen verbinden und bin viel am Fels unterwegs. Ich war schon in Amerika, Australien oder Südafrika zum Klettern. Es ist das ganze Drumherum, nicht der einzelne Erfolg, wenn man eine schwere Route schafft. Da geht es mehr um den Lifestyle. Ich habe mir letztes Jahr auch einen Bus gekauft und ausgebaut, mit dem ich in Europa von Klettergebiet zu Klettergebiet fahre.
Und es ist immer etwas Neues: Jede Route, jeder Boulder ist einfach anders und ich weiß nie, was in einem Wettkampf auf mich zukommt. Man muss sich jedes Mal eine Lösung überlegen, bevor man einsteigt. Es ist nicht so wie bei Ninja Warrior, wo es eine Auswahl von Hindernissen gibt. Die Vielfalt und das ganze Drumherum machen den Unterschied für mich.
Weißt du noch, wie alt du warst, als du mit dem Klettern angefangen hast?
Ich bin geklettert, bevor ich laufen konnte. Meine Eltern klettern, wir sind im Urlaub früher schon immer in irgendwelche Klettergebiete gefahren. Da habe ich schon oft spielerisch geklettert. Mit zehn Jahren habe ich dann bei den ersten Kids-Cups teilgenommen, mit 15 Jahren habe ich angefangen, das intensiver zu betreiben. Da hatte ich dann wirklich das Ziel, besser zu werden und bei Wettkämpfen vorne dabei zu sein.
Bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr ist das Sportklettern als Disziplin vertreten. Ist Olympia 2024 in Paris ein Ziel für dich?
Auf jeden Fall! Für Paris habe ich mir schon in den Kopf gesetzt, dass ich gerne dabei sein möchte. Darauf arbeite ich auch hin. Ich gebe mein Bestes, mich dafür zu qualifizieren – da würde ich dann Ninja Warrior hinten anstellen, das Klettern geht immer vor.
Das Gespräch führte Maike Falkenberg


