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Schiri-Analyse des 31. Spieltags

So beurteilen "Collinas Erben" Bellinghams Platzverweis

Flog gegen den VfL Wolfsburg vom Platz: BVB-Talent Jude Bellingham
Flog gegen den VfL Wolfsburg vom Platz: BVB-Talent Jude Bellingham
Foto: © Christian Schroedter via www.imago-images.de
26. April 2021, 11:22
sport.de
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Dass Spieler öffentlich fordern, ein Schiedsrichter möge ungeachtet der Altersgrenze weiter seiner Berufung nachgehen, ist äußerst selten. Manuel Gräfe wird diese Ehre momentan zuteil - mit Recht, wie er auch bei seinem Spiel in Freiburg zeigt. Völlig zu Recht flog auch BVB-Star Jude Bellingham beim Champions-League-"Endspiel" gegen den VfL Wolfsburg vom Platz.

Viel unglücklicher hätte Kevin Vogts Einsatz im Spiel des SC Freiburg gegen die TSG 1899 Hoffenheim (1:1) kaum beginnen können: In der 77. Minute eingewechselt, verursachte der Verteidiger der Gäste kurz darauf noch vor seinem ersten Ballkontakt einen Strafstoß.

Genauer gesagt: Er führte ihn beim Versuch herbei, den Ball erstmals in dieser Partie zu spielen. Vogt wollte die Kugel aus dem Hoffenheimer Strafraum schlagen und hatte auch schon zum Schuss ausgeholt. Doch als sein rechtes Bein wieder nach vorne schwang, befand sich auf einmal der linke Fuß von Ermedin Demirović vor dem Ball und damit im Weg.

Der Freiburger lief schräg hinter Vogt und hatte sein Bein in Richtung Spielgerät ausgestreckt. Weil er einen Wimpernschlag eher am Ball war, traf der Hoffenheimer versehentlich mit der ganzen Wucht seiner Schussbewegung die Ferse von Demirović statt des Balles. Beide Spieler gingen mit sichtbaren Schmerzen zu Boden.

Für den souveränen Schiedsrichter Manuel Gräfe stellte sich die Situation auf dem Feld als Stürmerfoul dar, und niemand protestierte ernsthaft gegen diese Entscheidung, die auch in der Realgeschwindigkeit der Fernsehübertragung völlig korrekt erschien. Es wirkte, als wäre Demirović Vogt in die Parade gefahren, als dieser gerade schießen wollte.

Auch ein unabsichtlicher Tritt ist ein Foul

Video-Assistent Guido Winkmann überprüfte die Szene dennoch – und empfahl Gräfe anschließend ein On-Field-Review. Denn auf den Bildern war zu erkennen, dass Demirović sich regelkonform verhalten hatte und einfach einen Tick schneller war.

Vogt dagegen hatte nun einmal nicht den Ball gespielt, dafür aber seinen Gegenspieler voll erwischt – unabsichtlich zwar, aber das spielte keine Rolle, wie auch DFB-Lehrwart Lutz Wagner gegenüber dem "kicker" deutlich machte: "Vogt will zwar den Ball spielen, trifft aber nur Demirović, der sich in dieser Szene völlig korrekt verhält. Damit liegen die Fakten klar auf dem Tisch – auch wenn Vogt überhaupt nicht beabsichtigt hatte, den Gegenspieler zu treffen."

Dass Gräfe seine Entscheidung nach dem Betrachten der Bilder auf dem Monitor am Spielfeldrand schließlich korrigierte und einen Strafstoß für die Freiburger gab, war deshalb auch „völlig richtig“, wie Wagner bestätigte. Man mag zwar in regelphilosophischer Hinsicht ein wenig Bauchgrimmen damit haben, dass Vogt hier bestraft wurde – schließlich konnte er die Schussbewegung nicht mehr rechtzeitig abbrechen, zumal er Demirović in seinem Rücken nicht gesehen hatte. Doch das spielte keine Rolle, denn auch ein unabsichtlicher Tritt ist ein Foul, sofern der Gegner sich seinerseits nichts zuschulden kommen lässt und auch kein Unfall vorliegt wie bei einem Zusammenprall.

Drei Unparteiische haben die Altersgrenze erreicht

So kamen die Hausherren aus dem Breisgau noch zum 1:1-Ausgleichstreffer, und dadurch sicherten sie sich einen Punkt. Manuel Gräfe erklärte Kevin Vogt nach dem Schlusspfiff noch einmal genau, warum es den Strafstoß gab – es sind auch solche empathischen Handlungen, derentwegen der erfahren Unparteiische aus Berlin bei Spielern und Trainern seit vielen Jahren so beliebt ist.

Da er aber bereits auf 47 Lebensjahre kommt, muss er nach dieser Saison als Bundesliga-Referee genauso ausscheiden wie seine Kollegen Guido Winkmann und Markus Schmidt. So sieht es jedenfalls eine seit etlichen Jahren gültige Regelung des DFB vor.

Es ist bemerkenswert, wie viele angesichts dessen den Wunsch äußern, die sportliche Leitung der Bundesliga-Schiedsrichter möge die Altersgrenze grundsätzlich überdenken oder doch zumindest für Gräfe eine Ausnahme machen. Medien wie der „Kicker“, die "Zeit" und die "FAZ" plädieren für eine Fortsetzung von dessen Karriere, beim Sender "Sky" setzte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus zu einer Hommage auf den Unparteiischen an.

Im Internet hat ein Fan eine Petition mit dem Titel "Leistung muss belohnt werden, pro Manuel Gräfe" veröffentlicht. Er sammelt Unterschriften, um den DFB umzustimmen.

Bemerkenswerte Plädoyers für Manuel Gräfe

Vor allem aber sind es Spieler und Trainer, die sich öffentlich für Gräfe einsetzen. "Der Herr Gräfe ist einer der besten Schiedsrichter in Deutschland, wenn nicht sogar der beste“, sagte beispielsweise der Freiburger Kapitän Christian Günter bei "Sky". "Ich würde da mal eine Lanze brechen und sagen: Bitte lasst ihn noch ein bisschen weitermachen. "Gräfe biete „eine überragende Spielleitung" und sei auch körperlich auf der Höhe. "Man sollte darüber nachdenken, ob so jemand nicht dabei bleiben sollte, solange er so fit ist", findet Günter.

Dieser Ansicht ist auch der Hoffenheimer Torhüter Oliver Baumann. „Er darf nicht aufhören, er muss weitermachen“, forderte er nach Gräfes 287. Bundesligaspiel seit dessen Einstand im Sommer 2004.

Der 1,97 Meter große Referee tue dem Spiel gut, findet auch der Freiburger Trainer Christian Streich. Gräfe selbst hatte kürzlich in einem Interview der "Sportschau" bekundet, gerne zumindest für ein weiteres Jahr in der Bundesliga pfeifen zu wollen.

Sein Kollege Winkmann, Bundesliga-Schiedsrichter seit 13 Jahren und mit 159 Einsätzen ebenfalls einer der Erfahrensten, hat den Wunsch, ein halbes Jahr dranzuhängen – auch um seine Laufbahn in Spielen vor Publikum zu beenden und nicht vor einer Geisterkulisse.

In einem ersten Gespräch mit der sportlichen Leitung bekräftigte diese jedoch die bestehende Regelung, nicht zuletzt mit dem Verweis darauf, personell auch ohne die ausscheidenden Unparteiischen gut gerüstet zu sein.

Starkes Wochenende für die Schiedsrichter

Durch die Altersbegrenzung soll besonders fähigen jungen Schiedsrichtern der Weg ins Oberhaus erleichtert werden, was allemal nachvollziehbar ist.

Auf der anderen Seite verliert der deutsche Profifußball so gegen den Willen der Aktiven erfahrene und akzeptierte Spitzenkräfte aufgrund einer Regelung, die nicht an der Leistung orientiert ist, sondern ausschließlich am Lebensalter – ungeachtet der guten Erfahrungen, die man etwa in der englischen Premier League ohne diese Beschränkung macht.

Der DFB könnte nur gewinnen, wenn er Gräfe und Winkmann ihre Wünsche erfüllen würde, die maßvoll und im Sinne der Klubs sind. Vielleicht ist die Tür ja doch noch nicht zu.

Nicht nur in Freiburg, sondern auch in anderen Begegnungen dieses Spieltags zeigten die Schiedsrichter – und ihre Video-Assistenten – derweil vielfach starke Leistungen, nachdem es zuletzt Kritik gab, die zumindest in der Form teilweise überzogen war.

Gelb-Rot für den Dortmunder Jude Bellingham durch Referee Tobias Stieler im Spiel des BVB beim VfL Wolfsburg (2:0) etwa ging in Ordnung. Genauso wie der Strafstoß für RB Leipzig, den Deniz Aytekin in der Partie gegen den VfB Stuttgart (2:0) nach einem Foul von Konstantinos Mavropanos an Emil Forsberg verhängte, und die Rote Karte, die der Stuttgarter Naouriou Ahamada für einen Tritt gegen das Schienbein von Amadou Haidara nach einem VAR-Eingriff sah.

Genauso berechtigt war der Handelfmeter für Borussia Mönchengladbach, den Referee Robert Hartmann in der Begegnung gegen Arminia Bielefeld (5:0) nach 18 Minuten gab. Für die Unparteiischen lief das Wochenende wirklich gut.

Alex Feuerherdt

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