Siegen oder fliegen: Alexander Zverev hat sich mit einem matten Auftritt bei den ATP Finals in eine schwierige Position gebracht. Ein altbekanntes Problem setzt der deutschen Nummer eins zu.
Alexander Zverevs Körpersprache ließ tief blicken. Die deutsche Nummer eins verschränkte die Arme vor der Brust, rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her und blickte frustriert gen Boden. An der ernüchternden Auftaktpleite bei den ATP Finals hatte Zverev mächtig zu knabbern. "Wenn ich so spiele, werde ich hier kein einziges Match gewinnen", sagte der Weltranglistensiebte nach der 3:6, 4:6-Pleite gegen Daniil Medvedev. Zverev muss in London beherzt auf den Resetknopf drücken.
"Für mich ist es jetzt ein ganz normales Turnier. Wenn ich verliere, fahre ich nach Hause, sagte der 23 Jahre alte Hamburger. Anders als bei Grand-Slam- oder Mastersturnieren erhält er beim Jahresfinale der besten Acht eine zweite Chance. Am Mittwoch gegen den Argentinier Diego Schwartzman (15 Uhr/Sky) und zwei Tage später gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic muss er sich aber ganz anders präsentieren als am späten Montagabend.
"Ich muss Diego und Novak schlagen, um eine Chance auf das Halbfinale zu haben", sagte Zverev: "Ich werde mein Bestes geben." Selbst bei einer weiteren Niederlage gegen Schwartzman besteht noch eine theoretische Chance auf ein Weiterkommen. Doch statt Rechenspiele anzustellen, wird sich Zverev in der Aufarbeitung mit sich selbst auseinandersetzen. Ob die Konzentrationsprobleme auch ein Resultat der Unruhe um sein Privatleben waren, weiß der Champion von 2018 nur selbst.
Zverev muss schnell einen Hebel finden, um sein Service zu stabilisieren. Mit sieben Doppelfehlern und 21 Prozent gewonnenen Punkten nach dem zweiten Aufschlag wird er in einem Weltklassefeld nichts ausrichten können. Wie man nach einer Niederlage schnell wieder aufsteht, machten Kevin Krawietz/Andreas Mies im Doppel vor, die am Dienstag Lukasz Kubot/Marcelo Melo (Polen/Brasilien) 6:2, 7:6 (7:5) besiegten und wieder voll im Rennen sind.
Zverev wird das Gespräch mit seinem Vater und seinem Trainer David Ferrer suchen, sich neu fokussieren. Und im Training weiter daran arbeiten, ein besseres Gefühl für die Bedingungen in der leeren o2-Arena zu erlangen. Der Platz sei "deutlich schneller" als beim Masters in Paris, sagte Zverev, "und die Bälle sind schwer zu kontrollieren auf diesem Belag". In der französischen Hauptstadt hatte er nach zwei Turniersiegen in Köln den Finaleinzug geschafft - und auch dort, teilweise gehemmt von Oberschenkelproblemen, gegen Medwedew verloren.
Der Russe, Nummer vier der Welt, war variabler in den Ballwechseln und ein Stück cleverer. Dies zeigte sich auch in der entscheidenden Phase des zweiten Satzes. Beim Stand von 4:3, 30:30 schlug Medwedew plötzlich von unten auf. "Ich habe es nicht gemacht, um ihn zu verhöhnen, sondern um den Punkt zu gewinnen", sagte Medvedev. Das Vorhaben gelang und Zverev erkannte seine Unterlegenheit an. Bei seiner zweiten Chance wird er ein völlig anderes Gesicht zeigen müssen.





