Nach einem eher glanzlosen Aufstieg wurde dem VfB Stuttgart eine schwierige Bundesligasaison prophezeit. Doch bislang kommen die Schwaben im Oberhaus überraschend gut zurecht. Das liegt auch am früheren BVB-Profi Gonzalo Castro, der das junge Stuttgart Team als Kapitän anführt.
Ob Castro derzeit Genugtuung verspürt, ist nicht bekannt. Verständlich wäre es allerdings, schließlich musste sich der Routinier vor allem nach dem bitteren VfB-Abstieg 2019 eine Menge Kritik gefallen lassen.
Fünf Millionen Euro hatten die Stuttgarter Verantwortlichen im Jahr zuvor in die Hand genommen, um den Edeltechniker aus Dortmund loszueisen. Seiner Rolle als Leader wurde Castro zunächst jedoch kaum gerecht.
Heute, im Spätherbst 2020, zweifelt im Ländle freilich niemand mehr an den Qualitäten des Ex-Nationalspielers, der entscheidenden Anteil am gelungenen Saisonstart des Vereins für Bewegungsspiele hat.
Castro hat sich beim VfB Stuttgart zu einem Anführer gemausert
"Er kann die Jungs nicht nur dirigieren, er kann auch Fußball spielen", schwärmte Trainer Pellegrino Matarazzo unlängst von seinem Kapitän: "Er zeigt es im Training und Woche für Woche, wie wichtig er für uns ist."
Tatsächlich hat sich Castro zu einem echten Anführer gemausert. Neben drei Torbeteiligungen (zwei Treffer, eine Vorlage) ist es vor allem seine Übersicht, die den gebürtigen Wuppertaler für den VfB so wertvoll macht.
In Stuttgart gilt er als Inbegriff eines Teamplayers. Der 33-Jährige ist ständig unterwegs, dirigiert seine (teils extrem jungen) Mitspieler und geht auch harten Zweikämpfen nicht aus dem Weg.
Schwieriges Premierenjahr nach BVB-Abgang
Dass Castro nun als Strippenzieher glänzt, war vor gar nicht allzu langer Zeit noch reines Wunschdenken. Zu sehr hatte der einstige Bayer- und BVB-Profi in seinem Premierenjahr enttäuscht.
Als in der Seuchensaison 2018/2019 Führungsstärke gefragt war, tauchte der Deutsch-Spanier vollends ab und ging mit dem Rest der Mannschaft unter.
Wohl wissend, dass auch er seinen Beitrag zum Abstieg geleistet hatte, schwor er dem VfB aber die Treue. Castro wollte beweisen, kein Fußball-Söldner zu sein.
Mit Erfolg: Eine Liga tiefer fand er endlich seinen Platz im Stuttgarter Mittelfeld und steuerte schließlich drei Tore und sieben Assists zum direkten Aufstieg bei.
Kapitän Castro rechtfertigt Vertrauensvorschuss
Coach Matarazzo, der die Mannschaft erst zur vergangenen Rückrunde übernommen hatte, würdigte die positive Entwicklung Castros im Sommer und beförderte ihn zum Kapitän.
"Ich bin der Meinung, dass Gonzalo Castro der Mannschaft mit seiner Erfahrung und seiner Art auf und neben dem Platz helfen kann. Sein Wort hat Gewicht innerhalb des Teams", begründete der 42-Jährige seine Entscheidung.
Sein Vertrauensvorschuss wurde belohnt. Der VfB ist seit sechs Partien ungeschlagen, nach sieben Spieltagen steht ein solider achter Platz zu Buche - auch dank Taktgeber Castro.
Mislintat: "Wir wissen, was wir an ihm haben"
Bliebe nur noch zu klären, ob die Liaison zwischen dem Routinier und dem VfB Stuttgart über die laufende Saison hinaus eine Zukunft hat. Stand jetzt läuft Castros Vertrag Ende Juni 2021 aus.
Einiges deutet mittlerweile auf eine Verlängerung hin. Er könne sich "gut vorstellen zu bleiben", sagte der Allrounder dem "kicker" neulich. Man wolle sich "im Winter zusammensetzen".
Auch von Vereinsseite gab es zuletzt positive Signale. Sportdirektor Sven Mislintat sieht eine Win-Win-Situation: "Er weiß genau, was er an uns hat, und wir wissen, was wir an ihm haben."
In der Tat ist Castro inzwischen der Leitwolf für die "jungen Wilden" beim VfB. Die Geduld aller Beteiligten hat sich ausgezahlt.
Heiko Lütkehus