Der Weg in den Motorsport war für Ana Carrasco lang und beschwerlich. Heute ist sie Weltmeisterin - und möchte am liebsten auch die große MotoGP aufmischen.
Ana Carrasco kennt sie alle. Die Blicke, die Vorurteile, die Sprüche. "Du fährst wie ein Mädchen", solche und ähnliche Dinge musste sie sich lange anhören. Bis im September 2018 die männerdominierte Motorradszene plötzlich für einen Moment verstummte: Die Spanierin gewann als erste Frau eine Straßen-Weltmeisterschaft.
"Viele Leute haben erst da begriffen", sagt Carrasco dem "SID", "dass auch eine Frau Rennen gewinnen kann." Und zwei Jahre nach ihrem historischen Triumph peilt die 23-Jährige längst den nächsten Meilenstein an: Die MotoGP, die Königsklasse der Zweiräder.
"Ich denke natürlich daran, mal in der MotoGP zu fahren. Jeder Fahrer tut das", sagt Carrasco. "In den nächsten vier oder fünf Jahren" möchte sie als erste Frau dorthin aufsteigen: "Das Wichtigste ist, dass ich mich immer weiter verbessere. Dann werden wir sehen, wann ich dort ankomme."
Ein Vorbild ist sie schon jetzt, spätestens seit ihrem historischen Triumph vor zwei Jahren. Auch andere junge Frauen sollen künftig "an Weltmeisterschaften teilnehmen", und mehr noch: "Das Ziel muss sein, dass auch andere Frauen Weltmeisterinnen werden."
Wie das genau geht, kann sich nun jeder und jede noch mal anschauen. Die Spanierin hat die emotionale Geschichte hinter ihrem WM-Erfolg verfilmen lassen, unter dem Titel "Ride Your Dream" ist die 80-minütige Dokumentation ab 17. September zu sehen. Carrasco beschreibt darin ihren Weg, der schon mit drei Jahren auf einem motorbetriebenen Fahrrad beginnt. Mit 14 gewann sie als erste Frau die spanische Meisterschaft in der 125er-Klasse, 2013 schaffte sie den Sprung in ein Profi-Rennteam.
Bis dahin hatte sie stets ihr Vater begleitet, doch nach dem Wechsel war sie plötzlich auf sich allein gestellt. "Ich weiß noch, wie schlecht es ihr ging. Sie hatte damals wirklich eine schwere Zeit", berichtet ihr Bruder.
Zudem wurde der Sport auf diesem Niveau teurer, und die Familie verzichtete auf vieles. Das Familien-Mobil im Wert von 150.000 Euro wurde verkauft, und einmal, erzählt der Vater, "einmal ist mir beim Essen ein Zahn abgebrochen. Ein Besuch beim Arzt hätte 60 bis 100 Euro gekostet. Also habe ich mir den Zahn selbst gezogen."
"Ride like a girl" als Motto
All das war nicht umsonst, heute lebt Carrasco ihren Traum als Motorrad-Profi. Nach drei Moto3-Jahren und einem Jahr WM-Pause ging es 2017 in die Supersport-300-Kategorie für seriennahe Maschinen. Dort triumphierte sie 2018 dank kluger Fahrweise. Und auch in dieser Saison liegt Carrasco nach vier Rennen aussichtsreich auf dem vierten Platz der Gesamtwertung. Das große Ziel ist der zweite Titel.
Die Vorurteile gegen Frauen im Motorsport sind dabei längst ein Antrieb geworden. "Ride like a girl", lautet ihr Motto: "Fahre wie ein Mädchen."
