Philipp Weber war der Letzte. Sogar die Gesprächsrunde mit Bundestrainer Christian Prokop, eigentlich das untrügliche Zeichen für den Abschluss der Mixed Zone im Anschluss an die deutschen EM-Spiele, hatte längst begonnen, da stand der Spielmacher der deutschen Handballer noch immer in den Katakomben der Wiener Stadthalle und erklärte betont unaufgeregt seine wundersame Wandlung vom Buhmann zum EM-Gewinner.
"Ich habe Vertrauen von der Mannschaft und vom Trainer bekommen. Das sieht man", sagte Weber: "Man kann nicht immer bei 100 Prozent sein, aber da waren schon sehr gute Sachen dabei."
Und ob: Der Leipziger Rückraumspieler, jener Weber, der bei der EM-Schmach vor zwei Jahren noch als Sündenbock herhalten musste, spielte in Abwesenheit zahlreicher Stammkräfte ein starkes Turnier und gilt inzwischen als Hoffnungsträger für die Olympia-Träume des Teams. "Er spielt eine sehr erwachsene EM", lobte DHB-Vizepräsident Bob Hanning.
Entwicklung Webers kommt überraschend
Torgefährlich, das ist Philipp Weber, Bundesliga-Torschützenkönig von 2017 seit jeher. Doch bei der EM überzeugt der 27-Jährige auch mit seiner Übersicht und einem feinen Gespür für die Situation. Weber, so kommentierte der Mannheimer Morgen passend, knackt Abwehrsysteme wie Einbrecher Tresore.
Beim stärksten Turnier-Auftritt gegen Kroatien (24:25) war Weber der Beste, und zum Hauptrunden-Abschluss gegen Tschechien (26:22) avancierte der Lenker und Denker des deutschen Spiels mit fünf Treffern zum wichtigsten Feldspieler und wurde nach einem seiner Gewaltwürfe vom Hallensprecher als "Mister Dynamite" gepriesen.
Die Entwicklung Webers war so nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Seine enormen Fähigkeiten sind seit Jahren unbestritten. Doch nach der großen Enttäuschung in Kroatien 2018 - wo Weber zum Go-To-Guy werden sollte, dann aber mit unterging und dafür heftig kritisiert wurde - waren die Erwartungen vor diesem Turnier gering. "Über das erste Turnier will ich gar nicht mehr sprechen, das spielt jetzt keine Rolle mehr", sagte Weber: "Für mich ist der Ist-Faktor ganz wichtig, 2020. Und damit bin ich zufrieden."
"Wir wollen zeigen, was in uns steckt"
Weber hat gelernt. Vor allem mental. Nach dem Turnier 2018 arbeitete er mit einer Psychologin zusammen und entwickelte Strategien, um mit sportlichen Rückschlägen umzugehen. Nun malt er sich vor den Spielen ein Kreuz auf die Hand. "Läuft es mal nicht so gut, schaue ich dahin", sagte Weber der "Sport Bild": "Das Kreuz steht für Sachen, die wir uns erarbeitet haben. Die rufe ich mir dann wieder im Kopf ab."
Sein kleiner Psycho-Trick funktioniert bestens. Im Spiel um Platz fünf gegen Portugal will Weber das am Samstag erneut unter Beweis stellen. "Für die Vorbereitung des Olympia-Qualifikationsturniers ist es extrem wichtig, dass wir ein positives Gefühl mit nach Hause nehmen", sagte Weber: "Wir wollen zeigen, was in uns steckt."
Bislang ist ihm das hervorragend gelungen.








