Thomas Dreßen saß hoch über der majestätischen Berglandschaft von Wengen mit einem ungläubigen Lächeln im Helikopter, der die Besten der traditionsreichen Lauberhorn-Abfahrt zur Siegerehrung ins "Weltcupdörfli" bringt.
Dass er bei diesem Klassiker als erster Deutscher seit Markus Wasmeier vor 28 (!) Jahren aufs "Stockerl" rasen würde, "hätte ich nicht gedacht", sagte der beste deutsche Skirennläufer, "ein Podium am Lauberhorn ist ein Traum, das wollte ich immer mal schaffen. Was soll ich sagen außer geil?"
Dreßen auf Wasmeiers Spuren
Ja, was? Vielleicht: "Ich bin extrem happy." Auch dieser Satz entfuhr Dreßen an diesem denkwürdigen Tag. Nach seinem dritten Platz am Samstag ist der 26-Jährige aus Mittenwald erst der zweite Deutsche nach Wasmeier auf dem Wengener Abfahrts-Podium: Der Doppel-Olympiasieger hatte 1987 im Schatten der Bergriesen Eiger, Mönch und Jungfrau gewonnen sowie 1989 und 1992 zweite Plätze geholt.
Nur 0,31 Sekunden fehlten Dreßen auf der nach Schneefall um über einen Kilometer verkürzten Strecke auf den von Tausenden skiverrückten Landsleuten umjubelten Sieger Beat Feuz. Dabei war es nach Rang fünf 2018 erst seine zweite Spezial-Abfahrt im Berner Oberland. "Das war wieder eine Topleistung von ihm", sagte Cheftrainer Christian Schwaiger. Wieder, weil Dreßen in seiner Comeback-Saison nach schwerer Knieverletzung schon die Abfahrt von Lake Louise gewann und auch im Super-G von Gröden Dritter war.
Dreßen: "Meinen fetten Arsch nach vorn bewegt"
Dennoch kam der Coup auch für Schwaiger "ein bisschen überraschend, weil doch einige Hoppalas im Training waren". Bei der Generalprobe hatte Dreßen das tückische Ziel-S vermasselt, in dem alljährlich Siegträume platzen. Als er am Samstag bei der Jagd nach der Ideallinie durch diese Schlüsselstelle raste, "habe ich meinen fetten Arsch nach vorne bewegt", sagte er scherzhaft.
Anders ausgedrückt: Dreßen schaltete seinen Kopf ein - und machte mit einer taktischen Meisterleistung die entscheidenden Hundertstelsekunden gut. Das, sagte Schwaiger, sei typisch Dreßen. "Er ist in keinster Weise einer, der sich irgendwo ohne zu überlegen runterstürzt. Er weiß sehr gut, wo man schnell fahren muss, um zu gewinnen."
Dass es nicht sogar für den vierten Weltcup-Sieg reichte, lag daran, dass Dreßen die Minsch-Kante und die folgende Canadian Corner "nicht perfekt" fuhr, wie er meinte: "Ich hätte die Eier haben müssen, auf Zug zu fahren", sagte er und lachte, "aber das habe ich mir nicht zugetraut."
"Kitzbühel wird geil"
Noch ist der letzte Rest an Draufgängertum nicht zurück nach dem "Totalschaden" im rechten Knie, das immer mal zwickt. Bei der Rückkehr ins Ski-Mekka Kitzbühel, wo Dreßens märchenhafter Aufstieg mit dem Triumph 2018 begonnen hatte, wartet am Freitag (Super-G) und Samstag (Abfahrt) die nächste Belastungsprobe. "Kitzbühel wird geil", sagte Dreßen mit leuchtenden Augen, "das ist für uns Abfahrer heuer das Rennen. Wenn ich ehrlich bin: immer, egal, was ist."
Dass seine damaligen Siegerski noch immer richtig gut gehen, wurde Dreßen in Wengen bestätigt. Teamkollege Manuel Schmid fuhr auf den geliehenen Latten in seinem Comeback-Rennen nach Mittelhandbruch als 13. sein bestes Weltcup-Ergebnis ein.