Die Vorbereitung auf die Handball-EM begann für Tobias Reichmann mit einer Enttäuschung: "Die Reisetasche war zu klein."
Natürlich nicht zu klein für all das, was man als Profisportler gemeinhin so braucht. Aber zu klein für die Ablenkung. Zu klein für den bestellten Ford Mustang. Und für das ebenso georderte Schneemobil.
Genauer: Zu klein für die Lego-Bausteine, für die Bausätze, die Reichmann so gerne mitgenommen hätte. Denn der Rechtsaußen der MT Melsungen ist ein Lego-Freak. Wenn er daran tüfteln kann, dann kommt er zur Ruhe.
"Zuhause habe ich ein Zimmer. In das ziehe ich mich zurück, um an meinen Lego-Bausätzen zu basteln. Das liebe ich", sagt Reichmann.
Lego-Technik, Lego-Creator. Es gibt reichlich anspruchsvolle Möglichkeiten in der Produktpalette des dänischen Baustein-Giganten.
Reichmann baut zusammen, baut wieder auseinander, verstaut es. Und wenn es ihn Monate oder Jahre später wieder interessiert, dann kramt er den Bausatz wieder heraus und setzt ihn erneut zusammen. Nur für sich. Er verkauft die Werke nicht. Noch nicht ...
Tobias Reichmann mag komplizierte Aufgaben
Reichmann mag es, sich komplizierten Aufgaben zu stellen und diese dann akribisch und konzentriert anzugehen. So hat er es bisher auch in seiner Handball-Laufbahn gehalten.
Zwar darf er auf seiner Vita zwei Champions-League-Titel, zwei Meisterschaften und zwei DHB-Pokalsiege mit dem THW Kiel aufführen – aber eine so richtig tragende Rolle spielte der gebürtige Berliner bei diesen Triumphen nicht. 2012 ging er daher von Kiel nach Wetzlar.
Und dann wagte Reichmann etwas, was vor ihm noch kein deutscher Nationalspieler gemacht hat: er wechselte 2014 nach Polen, zum dortigen Spitzenklub KS Kielce. Dort holte er sich die Klasse und die Wettkampfhärte, die ihn inzwischen zu einem der besten Rechtsaußen im europäischen Handball hat werden lassen.
Beim deutschen EM-Triumph 2016 (in Polen) war er der beste deutsche Torschütze und schaffte es ins All-Star-Team. Mit Nerven wie aus Stahl verwandelte er auch nahezu jeden Siebenmeter. Man muss es so sagen: ohne Reichmann wäre das DHB-Team 2016 nicht Europameister geworden.
In Polen feierte der Rechtsaußen zwar beachtliche Erfolge, 2017 zog es ihn dann aber doch wieder in die LIQUI MOLY HBL, zur aufstrebenden MT Melsungen, wo neben ihm auch die beiden weiteren EM-Fahrer Kai Häfner und Julius Kühn auflaufen.
"Polen war eine tolle Erfahrung. Aber die vollen Hallen in der LIQUI MOLY HBL habe ich vermisst. Auch die Leistungsdichte und das Niveau in Deutschland sind einmalig."
Einmalige Begeisterung für Mais
Einmalig ist auch seine Begeisterung für Mais! Denn Reichmann liebt Mais, das gelbe Korn gehört zu seinen bevorzugten Lebensmitteln.
"Früher beim Angeln mit meinen Freunden haben wir sogar Mais als Köder versucht. So kam ich zum Mais. Er schmeckte mir immer gut. Bis heute achte ich darauf, ob in Hotels Mais zu bekommen ist. Wenn es so ist, dann ist es für mich schon mal ein gutes Hotel", lacht Reichmann.
Kennzeichen seines Spiels ist seine nahezu unglaubliche Sprungkraft. Kein anderer deutscher Spieler und auch kaum einer im Welthandball kann so athletisch, so weit und hoch springen wie Reichmann. Auch das führt er – nur halb im Scherz – auf seinen Mais-Konsum zurück: „Popcorn besteht aus Mais. Und Popcorn springt auch super!“ Und wieder lacht Reichmann.
Auch abseits vom Mais hat die Beschäftigung mit Ernährung für Reichmann in letzter Zeit viel Raum eingenommen. Im Vorjahr erkrankte seiner Ehefrau Sarina und musste mehrfach am Darm operiert werden. Das waren schwierige Zeiten. "Seitdem legen wir bei der Ernährung viel mehr Wert auf Bio-Produkte. Und wir haben den Eindruck, dass wir davon gesundheitlich alle profitieren. Wir fühlen uns fitter, es gibt weniger Schnupfen. Es tut uns gut."
Reichmann und seine Ehefrau Sarina sind stolz auf ihre Kinder Ella-Sophie (4) und Karl-Henry (6). Besuche im Schwimmbad oder im Zoo sind immer Festtage für die Familie. Die Kinder kommen auch so allmählich ins Lego-Alter.
Tobias Reichmann: "Fußball interessiert mich überhaupt nicht"
Aber Reichmann baut nicht nur gerne mit kleinen Steinchen. Er baut auch bereits gedanklich an seiner Zeit nach der Karriere.
Einst in Kiel hatte er ein Studium für Sport und Pädagogik aufgenommen und wegen des Wechsels nach Polen aufgeben müssen. „Ich werde dieses Studium definitiv beenden. Das geht gar nicht anders. Als Handballer hat man nach seiner Karriere nicht ausgesorgt. Da muss noch was kommen.“
Das unterscheidet Spitzenhandballer von Spitzenfußballern, die ab 30 Jahren ein recht entspanntes Rentner-Dasein genießen können.
"Fußball interessiert mich überhaupt nicht. Noch nie", sagt Reichmann. Hingegen hat er eine Schwäche für Wintersport, besonders Skispringen schaut er gerne.
Bei einem gemeinsamen TV-Auftritt hat er mal Sven Hannawald, einst Sieger der Vierschanzen-Tournee, kennengelernt. Er war fasziniert vom Mut, sich die Schanzen hinabzustürzen: "Das würde ich mich nicht trauen." Aber eine Schanze zu bauen. Aus Lego. Das kann er sich jederzeit vorstellen.
Dieser Text wird mit freundlicher Unterstützung der LIQUI MOLY HBL zur Verfügung gestellt. Die LIQUI MOLY HBL ist Medienpartner von sport.de.








