Die zehnte Medaille bei einem Großereignis war für Christina Schwanitz wohl schönste. Mit ihrem Kugelstoß-Bronze in Doha zeigte sie, dass sie auch als Zwillings-Mutter zur Weltklasse gehört.
Als die Mama im fernen Katar ihr Gefühlschaos ordnete, waren die Zwillinge längst im Schlummerland unterwegs. "Die Krümel sind schon lange, lange im Bett. Die dürfen auch noch kein Fernsehen gucken. Noch sind sie viel zu klein, um zu verstehen, was ich hier mache", sagte Christina Schwanitz. Was sie da in Doha aber mit ihrem WM-Bronze im Kugelstoßen zwei Jahre nach der Geburt ihrer Kinder geleistet hatte, das wird sie ihnen irgendwann einmal voller Stolz erzählen dürfen.
"Mir ist ein Megastein vom Herzen gefallen, eine riesengroße Zufriedenheit macht sich breit", sagte Schwanitz, nachdem sie in einem Krimi mit 19,17 m Platz drei hinter der chinesischen Titelverteidigerin Gong Lijiao (19,55) und der Jamaikanerin Danniel Thomas-Dodd (19,47) behauptet hatte. Bronze war für die 33-Jährige "mein kleines Gold, das ich mir so hart erarbeitet habe", und ihre zehnte Medaille bei einem internationalen Großereignis die wohl schönste.
"Zwischendurch war ich emotional mal über dem Stadion", sagte Schwanitz, die vier Jahre nach ihrem Weltmeister-Titel auf das Podest zurückkehrte und nach Gold 2015 in Peking sowie Silber 2013 in Moskau ihre Sammlung komplettierte: "Ich bin unheimlich glücklich, stolz, zufrieden, in mir ruhend, zu Tränen gerührt - alles zugleich."
Beim einem gepflegten 14-Euro-Bierchen in der Bar des deutschen Teamhotels gemeinsam mit den Zehnkämpfern um den neuen Weltmeister Niklas Kaul ließ Schwanitz weit nach Mitternacht das harte, lange, verrückte 2019 noch einmal Revue passieren. "Dieses Jahr war so schwer, mit Kindern, mit Studium, mit Leistungssport, ich bin auch keine 18 mehr", sagte sie: "Es ist einfach ein unglaubliches Jahr mit einem krönenden Abschluss."
Der Sport "fetzt immer noch"
Nach der Geburt der Zwillinge im Sommer 2017 hatte sich Schwanitz im reifen Sportleralter neu erfinden müssen, "Vorher habe ich nur Sport gemacht, mich das ganze Jahr darauf konzentriert. Jetzt sind die Herausforderungen viel größer", sagte sie. Umso größer war die Freude darüber, in Doha ein weiteres großes Ziel erreicht zu haben: "Ich habe ja auch deshalb wieder angefangen, um zu zeigen, dass man auch mit Kindern in der Weltspitze sein kann." Weltspitze - das war ihr wichtig: "Ich wollte nicht nur Muttisport machen."
In der Weltklasse sie noch ein wenig bleiben, die Olympia-Saison mit den Sommerspielen in Tokio ist eingeplant. "Das nächste Jahr wird viel einfacher für mich, da die Zwillinge dann länger im Kindergarten sind. Da kann ich noch härter trainieren", sagte Schwanitz: "Der Sport macht mir immer noch Spaß, das fetzt immer noch. Es ist nach meinen Kindern und meinem Mann das Zweitwichtigste."
Nach dem großen WM-Stress sehnt sich Schwanitz auch nach ein wenig Zeit für sich, Zeit, um sich etwas Liebgewonnenem, das hinter Kindern, Mann, Sport und Studium auf einen Abstiegsplatz zurückgefallen ist, zu widmen. "Mein Garten ist mein Ausgleich", sagte sie: "Aber meine Pflanzen sind alle etwas knusprig, weil ich nicht zum Gießen komme."
