Christin Hussong hockte recht fassungslos auf der Bank und sah die sicher geglaubte Medaille aus ihren Händen gleiten. Statt Gold, Silber oder Bronze gab es für die Speerwurf-Europameisterin in einem dramatischen WM-Finale von Doha nur Blech.
Weil die Australierin Kelsey-Lee Barber im letzten Durchgang fast aus dem Nichts den Goldwurf auspackte, schlich Hussong als Vierte bedröppelt aus dem Innenraum des Khalifa International Stadiums, statt auf die Ehrenrunde zu gehen.
"Die Medaille habe ich nicht verloren, ich habe sie ja nicht gehabt. Ein vierter Platz ist undankbar, ich kann mir aber nichts vorwerfen, ich habe alles gegeben", sagte Hussong in der "ARD". Wie fast alle Konkurrentinnen schöpfte sie in einem zähen Finale ihre Fähigkeiten nicht ganz aus - mit 65,21 m blieb sie auch hinter ihrer Qualifikationsweite zurück.
Während Barber kurz vor Toresschluss mit 66,56 m noch von Platz vier auf Gold sprang, musste Hussong auch den Chinesinnen Liu Shiying (65,88) und Lyu Huihui (65,49) den Vortritt lassen. Nach dem überlegenen Titelgewinn bei der Heim-EM in Berlin im Vorjahr blieb Hussong ein erneuter Coup verwehrt. Die Enttäuschung sei "groß", gestand Hussong: "Niemand wird gerne Vierte, ich hätte gerne eine Medaille gehabt." Sie habe aber "alles gegeben, deshalb kann ich auch stolz sein. Ich bin beste Europäerin."
Hussong mit Chancen auf Gold
Hussong, die nach vier Durchgängen mit 65,05 m nur einen Zentimeter hinter der führenden Lyu gelegen hatte, verfehlte damit das zweite Edelmetall für das deutsche Team bei den Titelkämpfen in Katar. 24 Stunden zuvor hatte Gesa Felicitas Krause Bronze über 3000 m Hindernis gewonnen.
In einem Wettkampf, der nur schwer in Fahrt kam, hatte Hussong bis in die Schlussphase noch alle Chancen auf Gold. In Runde fünf übernahm dann zunächst Liu die Führung, im finalen Durchgang stellte Barber das Ergebnis auf den Kopf. Hussong verbesserte zwar noch einmal ihre Weite, der Konter reichte aber nicht. Hussong fehlte die Lockerheit aus dem Qualifikations-Durchgang am Vortag.
Hussong bestätigt internationale Klasse
Trotz der bitteren Enttäuschung bestätigte sie aber ihre internationale Klasse, Hussong hat das deutsche Speerwerfen bei den Frauen in der Weltspitze gehalten. In den vergangenen Jahren hatten die Weltmeisterinnen Steffi Nerius (Gold 2009), Christina Obergföll (2013) und Molitor (2015) sowie Europameisterin Linda Stahl (2010) ihre Karrieren beendet. Viel Substanz ging verloren, anders als bei den Männern ist die Frauensparte derzeit recht schmal aufgestellt.
Umso wichtiger ist die Rolle Hussongs als einsame Frontfrau, eine Rolle, mit der sie sich mittlerweile sehr angefreundet hat. "Ich bin stolz drauf, wenn man von den anderen Werferinnen hört, dass die einem eine Medaille zutrauen", sagte Hussong mit Blick auf die Konkurrenz. Und auch ihre prominenten deutschen Vorgängerinnen haben Hussong als eine der ihren verinnerlicht.
"Christina und Linda haben mir vor dem Wettkampf geschrieben und mir viel Glück gewünscht. Das ist einfach schön", sagte Hussong: "Als sie geworfen haben, da war ich noch klein, habe zu ihnen hochgeschaut. Und wenn man jetzt mit ihnen in einem Atemzug genannt wird, ist das einfach schön."

