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Als Neubrandenburg seinen Pele fand

Souleymane Chérif hat eine bewegte Karriere hinter sich
Souleymane Chérif hat eine bewegte Karriere hinter sich
19. Februar 2019, 13:29

Sie nannten ihn Pele. Souleymane Chérif war Afrikas Fußballer des Jahres - und ist immer noch ein Nationalheld in Guinea. Angefangen hat alles aber im beschaulichen Neubrandenburg.

Souleymane Chérif saß im Hinterhof seines Hauses, als ihm plötzlich die Tränen kamen. Auf einmal war sie wieder ganz frisch, die Erinnerung an das 7200 Kilometer entfernte Neubrandenburg. Den Ort, an dem alles angefangen hatte.

Vier seiner alten Fußball-Kumpels aus dem Mecklenburgischen hatten ihm ein ganz besonderes Foto geschickt. Ein Bild von der gemeinsamen Aufstiegsfeier 1964. Fans warfen Chérif damals meterhoch in die Luft. Denn er - der erste Dunkelhäutige, den viele von ihnen je gesehen hatten - hatte den SC Neubrandenburg völlig überraschend in die DDR-Oberliga geschossen.

"Als hätten mich die Neubrandenburger adoptiert"

"Es war fantastisch, als hätten mich die Neubrandenburger in diesem Augenblick adoptiert", sagte der heute 75-jährige Chérif, den kurz danach die Gefühle übermannten, in der "NDR-Sportclub-Story". Als 18 Jahre alter Student war er 1962 in die DDR gekommen - im Rahmen der sozialistischen Entwicklungshilfe. Maschinenbau sollte er studieren, um in seinem Heimatland Guinea Aufbauhilfe zu leisten. In Neubrandenburg war er aber zunächst mal ein Fremder.

"Die Kinder haben mich angefasst, um zu sehen, ob das Kohle auf meiner Haut ist. Später haben sich die Neubrandenburger an mich gewöhnt. Vor allem, als ich mit dem Fußball begann."

Sogar eine Freundin hatte er damals. Eine Leichtathletin - der Name soll geheim bleiben. "Ich war der erste Schwarze, den sie jemals gesehen hat. Wir waren ein Paar und ich wollte sie sogar heiraten", sagte Chérif: "Aber ihr Vater hat meinen Antrag abgeblockt. 'Das hat keine Zukunft', hat er gesagt." Ganz anders als Chérifs Fußball-Karriere.

"Da hat man gesehen, dass das ein Fußballer ist"

Er, der für die VEB Bau-Union arbeitete, lebte auf dem gleichen Gelände wie die Mannschaft des SCN. Eines Tages war Chérif schon in der Trainingshalle, als die Fußballer dorthin kamen. Und sie staunten nicht schlecht.

"Er hat da auch was mit dem Ball gemacht. War sehr talentiert. Da hat man gesehen, dass das ein Fußballer ist", sagte sein ehemaliger Mitspieler Peter Krabbe. Wenig später war es abgemacht: Chérif spielt für Neubrandenburg. Als Mittelstürmer natürlich, der Fans und Gegenspieler gleichermaßen mit seinen Fallrückziehern und Dribblings um den Verstand brachte.

Wahl zu Afrikas Fußballer des Jahres

Einen Spitznamen hatte Chérif schnell weg. "Das war, aus dem Bauch heraus, unser Pele", sagt Ex-SCN-Spieler Harry Mehrwald in Anlehnung an die brasilianische Fußball-Ikone.

In seiner Debütsaison rettete der "Pele aus Neubrandenburg" den Verein noch vor dem Abstieg aus der zweitklassigen DDR-Liga, ehe er den SCN mit zwölf Toren ein Jahr später ins Oberhaus führte. Damals kamen zwischen 12.000 und 15.000 Zuschauern ins Stadion, um ihn zu sehen. Doch der Aufstieg sollte zugleich der Schlusspunkt der Erfolgsgeschichte sein.

Denn in der Oberliga durften keine Ausländer spielen. Chérif sollte 1965 nach Guinea zurückkehren, wo er später Nationalspieler und Olympiateilnehmer 1968 in Mexiko wurde. Alles gipfelte im Jahr 1972, als er zu Afrikas Fußballer des Jahres gewählt wurde. Noch heute feiern ihn junge Männer und Kinder, die damals noch nicht einmal ansatzweise geboren waren, in den Straßen. "Ballon d'Or" rufen sie ihn. Der goldene Ball. Aber auch in Neubrandenburg hat man ihn nicht vergessen.

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