Felix Loch riss die Augen weit auf, der Frust eines ganzen Jahres entlud sich in wildem Gebrüll, dann warf sich Vater Norbert mit feuchten Augen auf den neuen Rekordweltmeister - und plötzlich wurde die Szene zum Deja-vu.
Genau 350 Tage zuvor hatten Bundestrainer und Athlet in der Olympia-Bahn von Pyeongchang gehockt und den Schock der Niederlage verdaut. Am Sonntag verharrten sie nun in der Winterberger Eisrinne und genossen gemeinsam die emotionale Rückkehr auf den WM-Thron.
"Nach Olympia haben viele gezweifelt, ob ich es noch kann", sagte Loch mit einem breiten Grinsen: "Aber ich habe eigentlich nie an mir selbst gezweifelt. Ich habe Vollgas gegeben, und heute hat endlich wieder alles gepasst. Dieser Titel hat einen ganz großen Stellenwert."
Seit mehr als einem Jahr hatte er auf einen Sieg warten müssen, der Erfolg vor dem Österreicher Reinhard Egger und Europameister Semen Pavlichenko aus Russland war daher ein Befreiungsschlag.
Durch den sechsten WM-Triumph führt Loch nun gemeinsam mit Italiens Ikone Armin Zöggeler die Bestenliste an, und er rundete nebenbei das aus Sicht der WM-Gastgeber perfekte Wochenende ab.
Bereits Gold bei den Damen und im Doppelsitzer
Schon am Samstag hatte Olympiasiegerin Natalie Geisenberger WM-Gold geholt, die 30-Jährige fuhr mit Senkrechtstarterin Julia Taubitz zum Doppelsieg.
Bei den Doppelsitzern hatten Toni Eggert und Sascha Benecken die Nase vorn, die Thüringer verteidigten ihren Titel erfolgreich vor den Olympiasiegern Tobias Wendl/Tobias Arlt.
Diese Medaillen waren fest eingeplant, Trainer Norbert Loch hatte sie gefordert - mit Blick auf das Männer-Rennen herrschte vor dem Wochenende allerdings durchaus große Ungewissheit: Ohne Felix Loch in Topform fehlt Deutschland der Siegrodler.
Und die Form des einstigen Dominators gab seit rund zwei Jahren zunehmend Rätsel auf. Es setzte ungewohnt viele Niederlagen im Weltcup, Loch verlor zudem bei der WM 2017 in Igls seinen Titel - und bei den Winterspielen 2018 folgte der Schock.
Loch vergab das fast sichere Gold durch einen Fehler im letzten Lauf. Das saß. Seinen bis Sonntag letzten Sieg hatte er noch vor Olympia am 14. Januar 2018 in Oberhof eingefahren.
Starkes Mannschaftsergebnis freut den Bundestrainer
"Es war nicht ganz abzusehen, dass der Felix das hier schaffen würde", räumte sein Vater noch immer sichtbar aufgewühlt ein.
Der 29-Jährige habe in den vergangenen Monaten Fehler "beim Schlitten und der Fahrweise" gemacht, zudem sei das Männerfeld extrem eng zusammengerückt: "Aber Felix hat sich das in den vergangenen Tagen erarbeitet. Ich bin glücklich und stolz."
Zufrieden war er auch mit dem Olympia-Dritten Johannes Ludwig auf dem vierten Rang und dem starken WM-Debütanten Chris Eißler (5.).
Lochs Triumph war zudem auch Ausdruck der engen Zusammenarbeit im bayerischen Team: Die Kufen zur Rekordfahrt hatte er sich von Kollegin Geisenberger geliehen. "Heute war das genau die richtige Entscheidung", sagte Loch.
Und geht es nach seinem Vorbild Zöggeler, dann wird der Deutsche schon bald ganz alleiniger Rekordweltmeister sein. "Er wird das ausbauen, seine Karriere ist ja längst nicht vorbei", sagte der 45-Jährige.