Spanien liegt Alejandro Valverde zu Füßen, doch für andere ist der neue Rad-Weltmeister einfach nur ein Relikt der alten Zeiten. Zu seiner dunklen Vergangenheit hat er sich nie bekannt.
Als der neue Champion seine Audienz beendet hatte, brach unter den anwesenden Journalisten stürmischer Applaus aus. Geschlossen huldigten die spanischen Medienvertreter ihrem Weltmeister Alejandro Valverde nach der Verwirklichung seines letzten großen Karriereziels, von kritischer Distanz keine Spur. Dabei gibt es genügend Gründe, sich am 38-jährigen Altmeister zu reiben.
Die Schattenseiten in Valverdes Laufbahn, vor allem seine Verwicklung in die Fuentes-Affäre, die ihm eine zweijährige Dopingsperre von 2009 bis 2011 einbrachte, interessieren auf der iberischen Halbinsel aber keinen. Stattdessen verneigte sich die gesamte spanische Sportwelt vor dem zweitältesten Träger des Regenbogentrikots, ein völlig aufgelöster Fotograf vergoss im Zielraum Freudentränen. Sogar das Königshaus sandte eine Grußbotschaft an einen "großartigen Fahrer".
Auf Twitter reichten die Glückwünsche von Radsportgrößen wie Alberto Contador ("Keiner hat es mehr verdient als Du") über Motorrad-Champion Marc Márquez bis hin zu Basketball-Superstar Pau Gasol. Einhellige Meinung: Alejandro, du bist der Beste! Auf den Titelseiten großer Zeitungen verdrängte Valverde selbst den übermächtigen Fußball. "Ein Champion in allen Farben", jubelte "Marca", und "El Mundo" verehrte "Alejandro, den Großen".
Keine Frage, Valverde ist ein aufregender Fahrer, einer, der etwas riskiert, der Rennen eine ganz besondere Note verleihen kann - wie am Sonntag in der "Höll" von Innsbruck. Aber hinter Valverde stand mit großer Sicherheit auch der Codename "Valv.(Piti)", wenigstens in den Akten eines gewissen Eufemiano Fuentes. Piti bezog sich auf Valverdes deutsche Schäferhündin.
"Der Richtige hat gewonnen"
Valverde selbst hat bis heute kein Fehlverhalten eingeräumt. Für seine damalige Sperre hatten ohnehin erst Kontrolleure gesorgt, die ihm 2008 bei einem Italien-Intermezzo der Tour de France Blut abnahmen und dies mit den Fuentes-Beständen verglichen. Valverde hielt in all der Zeit einfach still und kehrte so erfolgreich zurück, wie er gegangen war.
Nach dem Coup in Tirol stehen in seiner Bilanz 122 Profisiege, darunter 15 Etappenerfolge bei großen Rundfahrten, vier Siege bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, ein Gesamttriumph bei der Vuelta und so weiter. "Was auch immer jetzt noch kommt, ist ein Geschenk", sagte Valverde an der Hofburg in Innsbruck, auch der entthronte Titelverteidiger Peter Sagan hatte ihm da schon seinen Respekt gezollt: "Der Richtige hat gewonnen."
Valverde hatte Zweifel
Zu den erstaunlichen Kapiteln von Valverdes Laufbahn gehört auch eine Episode aus der jüngsten Vergangenheit: Selbst sein fürchterlicher Crash beim Tour-Start in Düsseldorf 2017, als er in die Gitter rutschte und Kniescheibe sowie Sprungbein brachen, bedeutete nicht das Ende. Im Herbst seiner Karriere fallen zwar die Haare vom Kopf wie das Laub von den Bäumen, aber die Beine haben nichts von ihrer muskulären Kapazität verloren.
"Ich hatte Zweifel, ob ich noch einmal das Niveau wie zuvor erreiche", sagte Valverde zwar, doch die waren spätestens am Sonntag verflogen. Und so fühlten sich manche wie bei Olympia 2012 in London, als der abgebrühte und reichlich belastete Kasache Alexander Winokurow mit Gold für einen Schockmoment gesorgt hatte. Doch die dunkle Radsport-Ära war damals in den Köpfen wohl noch präsenter.





