Basketball-Superstar LeBron James brachte zur Party ein Trikot der LA Lakers mit, 45.000 Zuschauer tobten auf den Rängen des Olympiastadion: Robert Harting feierte beim ISTAF in seinem Wohnzimmer zum Abschluss einer grandiosen Karriere noch einmal ein Gänsehaut-Fest und legte mit Rang zwei und 64,95 m in seinem allerletzten Wettkampf ein starkes Ergebnis hin.
Dass ausgerechnet Bruder Christoph (65,67), zu dem der scheidende Held ein angespanntes Verhältnis hat, zum Abschluss gewann, dürfte Robert Harting an diesem Tag nicht mehr sonderlich gestört haben. Er riss die Arme nach oben, bedankte sich bei seinen Konkurrenten und genoss einfach nur die Atmosphäre.
"Ich bin extrem überwältigt. Ich habe mir immer gewünscht, dass ich bei meinem Abschied nicht so weit weg bin von zu Hause. Ich bin ein kleiner Heimscheißer", sagte Harting nach seinem letzten Wurf und meinte: "Ich freue mich, wenn ich jetzt noch eine Stadionrunde laufen kann."
Erfolgreichster deutscher Leichtathlet der letzten zehn Jahre
LeBron James, der für seinen Sponsor Nike auf Werbetour in Berlin war, verfolgte die Wettkämpfe amüsiert aus der ersten Reihe. Auch dem US-Star werden sie gesagt haben, dass er einem historischen Moment beiwohnte. Mit Robert Harting trat der erfolgreichste deutsche Leichtathlet der letzten zehn Jahre ab: Olympiasieger, dreimal Weltmeister, zweimal Europameister.
Nach seinem letzten Wettkampf winkte Harting auch zum Doppeldeckerbus rüber, auf dem seine Freunde im Innenraum des Stadions den letzten Wettkampf des Publikumlieblings aus nächster Nähe verfolgen konnten. Für den 2,01-m-Riesen schloss sich ein Kreis. 2009 hatte er in Berlin bei der Heim-WM seinen ersten großen Triumph gefeiert.
Schon Hartings Einzug ins Olympiastadion sorgte für große Emotionen. Unter den Klängen von David Bowies "Heroes" lief der Lokalmatador ein. Ein Riesenplakat mit Hartings Konterfei wurde in der Ostkurve ausgebreitet, ein Konfettiregen folgte.
In einem Filmbeitrag versuchten sich Leichtathleten wie Thomas Röhler und Gina Lückenkemper daran, wie einst Harting das Trikot zu zerreißen.
Zerrissenes Trikot erlangt Kultstatus
Nach seinen drei Sternstunden wurde er mal gefragt, nach seinen Momenten für die Ewigkeit. Olympia-Gold natürlich, dann der WM-Titel 2009. Das war auch in Berlin, nach dem Triumph zerriss sich der Local Hero martialisch das Deutschland-Trikot. Eine Jahrhundert-Szene. Doch das macht er schon lange nicht mehr. Die Oma fand es gar nicht gut.
Und dann die Nummer mit US-Sprinter Justin Gatlin, im Herbst 2014. Weil er mit dem früheren Dopingsünder auf einer Liste stand, kandidierte Harting nicht für die Wahl zum "Welt-Leichtathleten". Stolz ist er bis heute auf die Wirkungskraft seiner Entscheidung: Ex-Doper wurden fortan vom Weltverband IAAF nicht mehr nominiert.
Nach dem Urlaub geht es zum Arbeitsamt
Im Herbst macht er endlich Urlaub mit seiner Frau Julia. Und dann muss er zum Arbeitsamt, das er noch nie von innen gesehen hat. Denn die Bundeswehr, seit Jahren einer seiner wichtigsten Sponsoren, entlässt den Sportsoldaten zum 30. September wie erwartet.
Frische Luft und unter Menschen sein, reisen, beobachten, überlegen, zweifeln, streiten - das ist schon eher etwas für ihn. "Mein Ziel ist es", betont Harting, "Sachen zu machen, die etwas verändern und nicht austauschbar sind. Ich brauch' halt Antriebe!"
Für die nahe Zukunft formuliert er diese Antriebe auch klar: "Ich mache im nächsten Jahr erst mal die Uni fertig. Dann habe ich einen Master-of-Arts-Abschluss in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. Dadurch steht mir allerhand offen - man ist eine gute Allzweckwaffe und auch ein bisschen ein Generalist."
Eine klare Vorstellung für seine berufliche Zukunft hat Harting auch: "Für Sachen, die ich machen möchte, kommt ein klassischer Bürojob nicht in Frage." Trainer will er auch nicht werden. Und ein Comeback ist erst recht kein Thema.