Robert Hartings letzter Auftritt bei einer internationalen Meisterschaft ist Vergangenheit. Der London-Olympiasieger steht nun vor einem neuen Abschnitt, genauso wie die deutsche Leichtathletik.
Nach seinem emotionalen Abschied erklärte Robert Harting mit einer gehörigen Portion Humor seine Karriere im DLV-Trikot hoch offiziell für beendet. "Ich wollte es schon immer wie Sandro Wagner machen: Hiermit trete ich aus der Nationalmannschaft zurück", sagte der scheidende Diskus-Star am Donnerstagmorgen mit einem Schmunzeln - und hatte mit dem Verweis auf den nicht für die WM nominierten Stürmer von Fußball-Rekordmeister Bayern München die Lacher auf seiner Seite.
In seiner Laufbahn war Harting ohnehin nie um einen flotten Spruch verlegen - auch das wird der deutschen Leichtathletik fehlen, wenn er am 2. September beim ISTAF in Berlin, wie bereits seit langem angekündigt, letztmals in den Ring steigt. Sportlich hat er ohnehin alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt: Der Olympiasieg 2012, dazu drei WM-Titel und zweimal EM-Gold.
Und doch war er nach seinem letzten Auftritt bei einer internationalen Meisterschaft und EM-Platz sechs in seinem "Wohnzimmer" Olympiastadion noch einmal überwältigt. "Wie soll ich es anders beschreiben? Es ist ein bisschen erdrückend, erleichternd, nicht berauschend. Ein bisschen traurig bin ich. Es ist sehr viel gerade", sagte er.
Sport als Chance für den sozialen Aufstieg
Es war ein würdiger Abschied für das "Gesicht" der deutschen Leichtathletik. Stimmungsvoll wurde er vom Berliner Publikum gefeiert, auch wenn er selbst mit seiner sportlichen Leistung etwas haderte. Dass er allerdings trotz einer langwierigen Knieverletzung überhaupt als einziger deutscher Diskuswerfer im Finale stand - auch das war irgendwie typisch Robert Harting.
Denn kämpfen musste er eigentlich sein ganzes Leben. In der Dokumentation "Sechsviertel" erklärte er, wie er in Cottbus in nicht gerade wohlhabenden Verhältnissen aufwuchs. Jugendliche quetschten ihm eine Bierdose über dem Kopf aus. Harting schämte sich. "Ich habe krampfhaft überlegt, wie kriegst du das gedreht, wie kannst du deine Position verbessern", sagte er. Der Sport sollte ihm dabei helfen.
Kampf um Medaillen und gegen Doping
Mit dem ersten Höhepunkt bei der WM 2009 in Berlin, als er im letzten Versuch WM-Gold holte. "Zwischen 2009 und 2018 verglichen, ist das Stadion das gleiche. Aber ich bin nicht derselbe", sagte er: "Mein Charakter hat sich total verändert. Ich war damals ein Niemand und schaffte es, einen großen Wurf zu machen."
Harting war dabei aber auch immer ein streitbarer Geist. Er legte sich mit dem Weltverband IAAF an, rief die deutsche Sportlotterie mit ins Leben, blieb auch beim Thema Anti-Doping-Gesetz engagiert - und attackierte sogar IOC-Präsident Thomas Bach.
Sportlich brachte aber das Jahr 2014 das wohl einschneidendste Erlebnis, als er sich das Kreuzband riss. Eine Verletzung, von der er sich nie mehr richtig erholte.
Harting schließt Comeback und Traineramt aus
Dennoch: Auch am Mittwochabend gab er noch einmal alles, obwohl er in diesem Jahr an einer Knieverletzung laborierte, Training war nur eingeschränkt möglich. "Er hat fantastisch gekämpft. Es war ein toller Wettkampf", sagte Idriss Gonschinska, Leitender Direktor Sport: "Es war der Robert, den wir uns gewünscht haben: angriffslustig."
Und wie wird er nun sein Leben gestalten? "Es wird nicht lange dauern, da habe ich neue Aufgaben, die werde ich dann mit voller Geistes- und Körperkraft erledigen", sagte er und schloss dabei sowohl einen Rücktritt vom Rücktritt als auch einen Job als Trainer aus.
"Ich werde die Sachen offensiv angehen und mich nicht vom Leben schubsen lassen", hatte er vor der EM im "SID"-Interview gesagt: "Wenn man mal raus ist aus dieser Sportwelt, bekommt man die Dimensionen des Lebens etwas klarer gestellt. Ich sage immer lustigerweise: Von Pförtner bis Kanzler ist alles drin. Wichtig ist, Respekt vor allen zu haben."