Der Große Preis der USA am 19. Juni 2005 ging unter dem Namen "Indygate" als eines der größten Skandal-Rennen in die Formel-1-Geschichte ein. Nur sechs Autos starteten auf dem Indianapolis Motor Speedway. Am Ende siegte Michael Schumacher.
Die Vorgeschichte zu dem beispiellosen Eklat begann schon am Freitag. Während des Freien Trainings crashte Toyota-Pilot Ralf Schumacher böse. Wie schon ein Jahr zuvor kam Schumi II in der berühmten Steilkurve vor Start und Ziel von der Ideallinie ab, verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und krachte in die Mauer.
Für den spektakulären Unfall Schumachers, der nachfolgend auf einen Start verzichtete und Testfahrer Ricardo Zonta sein Cockpit überließ, wurde umgehend der Reifenhersteller Michelin verantwortlich gemacht.
Die Franzosen schafften es nicht, eine Pneu-Mischung bereitzustellen, die den immensen Fliehkräften sowie dem extra verbauten Rillen-Asphalt rund um die Steilkurve 13 gewachsen war.

Michelin-Boss: "Können Sicherheit nicht garantieren"
"Wir können die Sicherheit der Fahrer nicht garantieren", gestand selbst Michelin-Boss Pierre Dupasquier ein. Der Reifen-Gigant konnte, anders als Konkurrent Bridgestone, kein stabiles Gummi für seine 14 betroffenen Fahrer anbieten und empfahl, jeweils nach zehn Runden die Reifen zu wechseln.
Diese Option kam für die Teams um WM-Leader Fernando Alonso im Renault, Verfolger Kimi Räikkönen im McLaren Mercedes oder Nick Heidfeld im Williams-BMW aber nicht infrage.
Das Qualifying fand zwar noch unter normalen Bedingungen statt, Trulli sicherte sich die Bestzeit vor Räikkönen und Button (BAR-Honda). Hinter den Kulissen diskutierten die Chefs der Konstrukteure sowie Michelin und der Motorsport-Weltverband FIA allerdings weiter, wie das Sicherheitsproblem der Kurve 13 gelöst werden solle.
Eine Zusatzschikane? Ein Tempolimit? Eine komplette Absage des US-Rennens? Alle Möglichkeiten wurden durchgespielt. Bis kurz vor dem Rennstart konnten sich alle Beteiligten nicht auf einen Kompromiss einigen - der Eklat nahm am Sonntag seinen Lauf.
14 Fahrer kommen zurück an die Box
Im Vorfeld kündigten die Michelin-Teams an, sich zunächst in der Startformation aufzustellen. Die Zuschauer am Motor Speedway trauten ihren Augen kaum, als dann nach der Einführungsrunde aber alle 14 Michelin-bereiften Boliden zurück in die Box fuhren und wegen der großen Zweifel an der Renntauglichkeit der Reifen auf einen Start verzichteten.
Unter lautstarken Pfiffen und Buhrufen der 150.000 Fans fanden sich plötzlich nur noch die sechs Bridgestone-Autos auf dem Grid wieder. Angeführt von Michael Schumacher und Rubens Barrichello im Ferrari, die eigentlich nur von Platz fünf und sieben ins Rennen gegangen wären.
Und tatsächlich: 78 Runden lang dauerte die Farce von Indianapolis, bei der Weltmeister Schumacher keinerlei Probleme hatte, im Krisenjahr 2005 seinen ersten und einzigen Saisonsieg einzufahren. Mit einer Runde Rückstand fuhr Jordan-Mann Tiago Monteiro erstmals auf das Siegerpodest.
Die vollkommen unterlegenen Minardi-Boliden von Christijan Albers und Patrick Friesacher fuhren als Fünfter und Sechster das beste Grand-Prix-Resultat ihrer Geschichte ein.

Michael Schumacher beteuert: "Ferrari hat nichts falsch gemacht"
Über den geschenkten Sieg wollte sich bei der Scuderia zumindest öffentlich niemand so recht freuen. Auf die obligatorische Champagnerdusche verzichtete Michael Schumacher, ebenso wie auf Jubelszenen mit seinem Team.
Verlegen meinte der Superstar der Formel 1 nach seinem vierten US-Triumph: "Es war ein Grand Prix der anderen Art. Ich wäre dieses Rennen gerne unter anderen Bedingungen gefahren". Gleichzeitig betonte Schumacher: "Ich fühle mit den Fans. Aber Ferrari hat nichts falsch gemacht. Wir müssen uns keiner Schuld bewusst sein."
Konkurrent Nick Heidfeld sprach derweil aus, was wohl die meisten leidtragenden Fahrer der Michelin-Teams dachten: "Ich will nur nach Hause. Ich habe keine Lust mehr, mir das Rennen anzuschauen. Natürlich wären wir alle lieber gefahren, aber die Entscheidung von Michelin war richtig."
Das Ende der Formel 1 im Motorsport-Mekka Indianapolis war nach diesem Skandal besiegelt. Nur noch zwei Mal machte der F1-Zirkus Halt im Nordosten der USA und kehrte nach 2007 nie mehr nach Indianapolis zurück.