Genau 1302 Tage lang hatte Steffi Graf ununterbrochen auf dem Thron der Tenniswelt gesessen. Über dreieinhalb Jahre am Stück, so lange wie niemand zuvor und nur eine danach. Vor 33 Jahren - am 11. März 1991 - wurde diese einmalige Serie der Deutschen jedoch von der erst 17-jährigen Monica Seles beendet.
Steffi Graf als Nummer eins der Welt. Etwas anderes war in den späten 80ern und frühen 90ern für Tennisfans eigentlich gar nicht vorstellbar. Zu groß war die Dominanz der "Gräfin" seit ihrem ersten Grand-Slam-Erfolg bei den French Open 1987 gewesen.
1988 gelang ihr der legendäre "Golden Slam" mit allen vier Grand-Slam-Titeln und olympischem Einzelgold in Seoul. Auch in den folgenden Jahren sammelte die Deutsche Major-Titel am Fließband, verlor kaum ein Match und führte die Weltrangliste mit riesigem Vorsprung an.
Tennis-Teenie Seles startet durch
1990 tauchte dann erstmals ein Name auf der Tenniskarte auf, den man so schnell nicht mehr vergessen sollte. Monica Seles aus dem ehemaligen Jugoslawien gewann im zarten Alter von 15 Jahren ihr erstes WTA-Turnier und fertigte dabei im Endspiel die damalige Weltranglistendritte Chris Evert ab.
Schon in ihrem ersten Profijahr kletterte Seles auf Rang sechs der Weltrangliste. Doch es waren nicht nur ihre Ergebnisse, die aufhorchen ließen. Ihr ebenso druckvoller wie eigenwilliger Spielstil schien das Damentennis zu revolutionieren und gilt bis heute als Geburtsstunde des modernen Powertennis.
Mit ihren beidseitig und beidhändig durchgezogenen knallharten Grundschlägen jagte die im serbischen Novi Sad geborene Seles, die heute auch die US-amerikanische und die ungarische Staatsbürgerschaft besitzt, ihre Gegnerinnen über den Platz und die Weltrangliste empor.
Steffi Grafs Wachablösung am 11. März 1991
Im Alter von 17 Jahren, drei Monaten und neun Tagen gelang der Newcomerin dann das, was Experten noch zwei Jahre zuvor für unmöglich gehalten hatten. Innerhalb eines Kalenderjahres feierte Monica Seles zwei Grand-Slam-Titel in Paris und Melbourne, gewann insgesamt 63 ihrer 67 Partien und löste damit Steffi Graf nach 186 Wochen als Nummer eins der Welt ab.
Fortan entwickelte sich ein packender Zweikampf um die Spitzenposition im Damentennis. Gleich fünfmal tauschten Graf und Seles im Sommer 1991 die Plätze an der Sonne. Nach ihrem Sieg bei den US Open im September setzte sich dann die Jugoslawin als Nummer eins fest und gab die Führung für ganze 91 Wochen nicht mehr ab.
Und wer weiß, wie lange Seles noch auf dem Thron geblieben wäre, wenn nicht der 30. April 1993 ihr Leben drastisch verändert hätte. Das Attentat auf die damals 19-Jährige beim WTA-Turnier in Hamburg ist bis heute einer der dunkelsten Momente der Sportgeschichte. Auch wenn Seles ohne größere physische Verletzungen glücklich davonkam, wurde sie nie wieder die gleiche Spielerin wie zuvor.
Teil zwei der Tennis-Rivalität
Erst im August 1995 kehrte Monica Seles nach zwei Jahren mit posttraumatischen Störungen und Depressionen auf die Tour zurück. Dafür aber umso furioser. Beim WTA-Event in Toronto gab sie im gesamten Turnier keinen einzigen Satz und nur 14 Spiele ab.
Bei den darauf folgenden US Open spielte sich die Jugoslawin auf Anhieb bis ins Finale vor und traf dort mal wieder auf Steffi Graf. In einem emotionsgeladenen Match unterlag Seles am Ende knapp mit 6:7 (6:8), 6:0 und 3:6. Die Rivalität nahm wieder ihren Lauf.
Insgesamt duellierten sich die beiden Stars dieser Zeit 15 Mal. Zehnmal siegte die Deutsche, fünfmal gewann ihre vier Jahre jüngere Kontrahentin. Zwischen 1990 und 1993 schlug Seles Graf allein dreimal in einem Grand-Slam-Finale. Nach ihrem Comeback 1995 gelang ihr in fünf Partien aber nur noch ein Sieg.
In den Jahren nach ihrer Rückkehr auf die Tour wurde Monica Seles immer wieder von Verletzungen und Schicksalsschlägen geplagt und fand nie wieder ganz zu der Form zurück, in der sie 1991 den Thron bestiegen hatte. Bei den Australian Open 1996 gewann sie dennoch ihren neunten und letzten Grand-Slam-Titel.
Grafs Rekord bleibt bestehen
1995 und 1996 wurde Seles phasenweise als Co-Nr. 1 geführt, um ihr die Teilnahme an allen Turnieren zu ermöglichen. Insgesamt kommt sie so auf 178 Wochen als Nummer eins, 91 davon am Stück. Wie viele es ohne die Zwangspause ab 1993 geworden wären, werden wir leider nie erfahren.
Steffi Grafs Rekord von 186 ununterbrochenen Wochen als Nummer eins steht auch heute noch. Allerdings muss die Deutsche sich die Bestmarke mittlerweile mit der US-Amerikanerin Serena Williams teilen, die zwischen 2013 und 2016 ebenfalls für 186 Wochen auf dem Thron saß, bevor ausgerechnet Angelique Kerber dafür sorgte, dass Graf den Rekord behalten durfte.
Lennart Wegner




