Lindsey Vonn schlug schockiert die Hände vors Gesicht, als ihr "Ziehkind" Jacqueline Wiles im Fangzaun landete.
Es war der Stimmungskiller bei der "80er-Party" der Speed Queen, die bei der Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen sechs Tage vor den Olympischen Spielen ihren 80. Weltcup-Sieg holte. Als Wiles nach bangen Minuten des Wartens mit dem Helikopter auf dem Weg ins Krankenhaus war, sagte Vonn: "Ich kann mich nicht hundertprozentig freuen."
Während Viktoria Rebensburg ihren elften Rang im vorletzten Rennen vor Pyeongchang mit fehlender Rennpraxis auf den Speedski erklärte, galt Vonns Mitgefühl der Teamkollegin. "Jacky ist schwer verletzt", sagte sie, ohne genau zu wissen, was Wiles fehlte, "das ist hart, sie ist ein guter Charakter."
Und Vonns Schützling: Als Wiles im Winter 2015/16 das Geld ausging und sie aus dem Team zu fliegen drohte, sprang Vonn mit ihrer Stiftung ein. Sie werde Wiles den Kopf waschen, kündigte Vonn an, weil diese es übertrieben habe: "Sie ist gestürzt, weil sie kämpfen wollte. Ich selbst habe das oft gemacht, aber ich hoffe, sie trifft künftig klügere Entscheidungen."
Vonn: "Ich bin bereit!"
Vonn selbst war auf der "Kandahar" nicht auf der letzten Rille unterwegs, ihr Vorsprung beim vierten Abfahrtssieg in "GAP" auf Sofia Goggia (Italien) war mit 0,02 Sekunden hauchdünn. "Ich habe nicht alle Karten auf den Tisch gelegt, ein paar Asse habe ich mir für Olympia aufgehoben", sagte sie und lachte.
Mit Goggia, meinte Vonn, sei es wie einst mit Maria Höfl-Riesch: "Wir pushen uns, aber egal, wer gewinnt: Wir haben immer Respekt voreinander." Bei den Olympia-Testrennen vor einem Jahr hatte Goggia in Abfahrt und Super-G knapp die Nase vorne gehabt. "Jetzt", sagte Vonn, "ist es Zeit, zu tauschen. Ich bin bereit."
Rebensburgs Fokus liegt auf dem Riesenslalom
Das gilt auch für Rebensburg, wenngleich noch nicht in der Abfahrt. Ihr Fokus, sagte sie, liege klar auf dem Riesenslalom zum Auftakt der alpinen Olympia-Rennen in Yongpyong am 12. Februar. Und der, gab sie zu, habe "im Hinterkopf vielleicht ein bisschen eine Rolle gespielt".
Rebensburg ließ eine bessere Platzierung nach Fehlern im Eishang in der folgenden "Hölle" und der "FIS-Schneise" liegen. "Ich bin jetzt seit zwei Monaten keine Abfahrt mehr gefahren", sagte sie anspielend auf ihre Krankheitspause, "da war es schwierig, den Rhythmus aufzunehmen."
DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier sprach von einer "bescheidenen" ersten Generalprobe seiner Top-Athletin, doch er ließ die lange Pause und den Riesenslalom-Fokus als Erklärung gelten. Der zweiten Abfahrt in "GAP" am Sonntag komme nun besondere Bedeutung zu: Rebensburg sei in der Königsdisziplin "außer Tritt, deshalb wäre es wichtig, wenn sie nochmal zulegen kann".
Patrizia Dorsch fuhr als 19. wie Meike Pfister (27.) ihre beste Abfahrt im Weltcup. Kira Weidle, nach einem Sturz im Riesenslalom-Training im Gesicht schwer gezeichnet, kam auf Rang 34, Michaela Wenig schied aus.


