Medienberichten zufolge bereitet Innenverteidiger Marc Bartra seinen Abschied vom Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund vor. Überraschen darf das nicht: Der sensible Spanier hat sich vom Schock des Bus-Attentats nie richtig erholt.
Was muss in einem Menschen vorgehen, der im zarten Alter von 26 um sein Leben fürchten musste? Wie verkraftet man einen heimtückischen Bombenanschlag, der Metallstifte und Glasscherben in tödlicher Geschwindigkeit durch die Luft zischen lässt?
Marc Bartra kann diese Fragen beantworten. Liebend gerne hätte er auf die traumatischen Erfahrungen verzichtet. Seit dem 11. April 2017 ist nichts mehr wie es einmal war. Der Profi weiß, dass der Speichenbruch und die Fremdkörper-Einsprengungen im Arm letztlich Glück im Unglück waren. Teamkollege Nuri Sahin berichtete später, dass die Augen Bartras "dunkel und ängstlich" gewirkt hätten.
Neun Monate sind seither ins Land gezogen, und noch immer versucht ein ganzer Verein, diesen schrecklichen Abend hinter sich zu lassen. Schnell war damals Normalität eingekehrt, erzwungenermaßen. Nur einen Tag nach dem Attentat wurde das Champions-League-Viertelfinale gegen die AS Monaco nachgeholt. Den Spielern auf dem Rasen war das Grauen anzusehen. Viele dachten an den schwer verletzten Bartra, der noch in der Nacht der Explosion operiert worden war.
39 Tage später kehrte der Spanier schließlich auf den Platz zurück. Nach dem 4:3-Sieg gegen Werder Bremen stand er allein vor der tosenden Südtribüne und weinte. "Nach allem, was passiert ist, war es ein sehr emotionales Spiel für mich", gewährte Bartra Einblick in sein Innenleben. In der Presse war im Anschluss von einem persönlichen Befreiungsschlag die Rede. Ein Trugschluss.
Hinten rechts ein Schwachpunkt
Das vergangene Halbjahr hat gezeigt, dass Bartra nicht mehr der Alte ist. Zwar hatte der 2016 vom FC Barcelona gekommene Abwehrmann auch vor dem Attentat nie restlos überzeugen können, solide war er in seiner ersten Saison indes allemal. Der spanische Nationalspieler, der als passsicherer Nachfolger des zum FC Bayern abgewanderten Mats Hummels galt, genoss das Vertrauen des damaligen BVB-Trainers Thomas Tuchel.
Nun, im Januar 2018, ist der sportliche Stellenwert des Katalanen gesunken. Dabei war sein Start in die Spielzeit so vielversprechend. Beim 3:0-Auftaktsieg in Wolfsburg glänzte Bartra mit einem traumhaft schönen Schlenzer in den Winkel des VfL-Gehäuses. Unter dem niederländischen Coach Peter Bosz durfte der 27-Jährige zunächst noch auf seiner Stammposition in der Zentrale ran, wurde im Laufe der Hinrunde allerdings nach rechts versetzt.
Auf der Außenbahn fühlte sich Bartra jedoch nicht wohl. Ungestüm im Zweikampf, naiv im Stellungsspiel, fehlerhaft im Spielaufbau - immer häufiger machten Gegner den Rechtsfuß als Schwachpunkt aus. So wurde der Iberer zu einem Gesicht der Dortmunder Krise. Als Bosz im Dezember entlassen wurde, hinterließ er einen Trümmerhaufen.
WM in Gefahr?
Das schwarz-gelbe Chaos sollte der eilig verpflichtete Peter Stöger in Ordnung bringen. In der Folge trat die Mannschaft defensiv stabiler auf und gewann die beiden abschließenden Bundesliga-Begegnungen gegen Mainz und Hoffenheim. Frustrierter Zuschauer: Marc Bartra. Stöger hatte den völlig verunsicherten Abwehrspieler aus dem Team genommen und seither nur noch einmal eingesetzt. Beim Pokal-Aus in München kurz vor Weihnachten wirkte Bartra derart überfordert, dass der Trainer ihn nach 35 Minuten vom Feld nahm.
Nun, da die Borussia in Manuel Akanji eine weitere hochkarätige Alternative für die Innenverteidigung geholt hat, tendieren Bartras Einsatzchancen gegen Null. Die "Sport Bild" berichtet nun von konkreten Wechselabsichten des Spaniers, der wenige Monate vor der WM in Russland um seinen Platz im Aufgebot der "Furia Roja" bangt.
Ein Zusammenhang zwischen dem bedenklichen Formverlust des einstigen Hoffnungsträgers und dem traumatischen Anschlag im April liegt nahe. Wie beklemmend die dramatischen Minuten im BVB-Bus gewesen sein müssen, ist kaum vorstellbar. "Ich habe am eigenen Körper erfahren müssen, wie schnell sich das Leben verändern, gar vorbei sein kann", blickte Bartra in einem "Sport Bild"-Interview zurück. Fortan wolle er seine "Zeit viel intensiver genießen." Ob das in Dortmund möglich ist? Wohl kaum.
Heiko Lütkehus




























