Domagoj Duvnjak soll Kroatien bei der "vielleicht stärksten Europameisterschaft aller Zeiten" in der Heimat zum Triumph führen. Doch die europäische Spitze ist unheimlich eng zusammengerückt. Und der Profi des THW Kiel war lange verletzt.
Domagoj Duvnjak hat sich gequält. Sieben lange Monate, jeden Tag. Für seinen großen Traum, für die Mission Gold bei der Handball-EM in seiner Heimat Kroatien. "Unser ganzes Land wünscht sich den Sieg, erwartet aber zumindest eine Medaille", sagte der Starspieler des THW Kiel der "Sport Bild" vor dem Start der Europameisterschaft vom 12. bis 28. Januar: "Der Druck wird riesig sein." Vor allem auf Duvnjak.
Der 29 Jahre alte Rückraumspieler ist Kapitän, Gehirn und unangefochtener Anführer des Teams von Trainerfuchs Lino Cervar. Duvnjak trägt eine große Last auf seinen breiten Schultern. Die "Kauboji" ("Cowboys") vor dem hochemotionalen Publikum mit kühlem Kopf zum ersehnten Erfolg zu führen, ist die wohl schwierigste Aufgabe seiner so erfolgreichen Karriere. Die enge Spitze mit Titelverteidiger Deutschland, Handball-Supermacht Frankreich und Olympiasieger Dänemark sowie seine schwierige Vorgeschichte machen die Aufgabe noch kniffliger.
"Das wird vielleicht die stärkste Europameisterschaft der Geschichte, weil jeder gegen jeden gewinnen kann", sagte Duvnjak der Handballwoche. Gleich zum Auftakt könnte der Druck für die Gastgeber und ihren Star kaum größer sein. Am Freitag wartet als erster Gegner vor 15.000 handballverrückten Fans in Zagreb ausgerechnet der Erzrivale Serbien.
Comeback erst im Dezember
Rückblende: Im vergangenen April zieht Duvnjak die Notbremse, es geht einfach nicht mehr. Die malade Patellasehne im linken Knie lässt die aufreibende Spielweise des einstigen Welthandballers nicht mehr zu, eine Operation ist unumgänglich. Die EM rückt plötzlich in weite Ferne. Die Fans in Kroatien zittern seitdem um ihr Idol, der THW rutschte ohne seinen Topspieler in die Krise. Erst im Dezember, 228 Tage nach dem Eingriff, feierte Duvnjak sein Comeback. Und was für eins. Mit dem Kroaten siegte Kiel seither fünfmal in Serie.
Die Teilnahme an der EM ist aber alles andere als ungefährlich für Duvnjak, die Belastung mit bis zu acht Spielen in 17 Tagen extrem hoch. "Das Schlaueste wäre es für alle Beteiligten, er würde bei der EM gar nicht spielen", sagte Kiels Coach Alfred Gislason in Sorge um seinen Leader. Doch Duvnjak will sich seinen Traum vom ersten internationalen Titel unbedingt in der Heimat erfüllen.
Karabatic: "Kroatien ist der große Favorit"
Die Chancen dazu stehen gut - meint zumindest der dreimalige Welthandballer Nikola Karabatic. "Kroatien ist aufgrund des Heimvorteils der große Favorit. Aber sie stehen auch unter großem Druck", sagte der Franzose, der selbst gierig auf die nächste Trophäe ist: Bereits 2006, 2010 und 2014 gewann er den Titel bei den Europameisterschaften. Mit Frankreich ist sicher zu rechnen.
Beide Topstars, Duvnjak und Karabatic, sehen aber noch weitere Hauptkonkurrenten. Olympiasieger Dänemark zum Beispiel, mit etlichen Bundesliga-Größen wie Niklas Landin oder auch Rückraumshooter Mikkel Hansen stark besetzt. "Unser Ziel ist das Halbfinale", sagte Trainer Nikolaj Jacobsen, der im Tagesgeschäft die Rhein-Neckar Löwen coacht. Wie Titelverteidiger Deutschland träumt er natürlich davon, sein Ziel gleich bei seinem ersten Turnier als Nationaltrainer zu übertreffen und den ganz großen Coup zu landen. Auch mit Norwegen, Schweden, Slowenien und Spanien ist zu rechnen.
Für die Kroaten spricht neben der lautstarken Kulisse auch die spielerische Entwicklung des Teams. "Und wenn wir für Kroatien auflaufen, dann sind wir voller Herzblut dabei", sagte Duvnjak, bevor er ins Träumen geriet: "Holen wir den Titel, dann verfällt unser Land in einen Partyrausch, den wir nie vergessen werden."







