Erik Lesser hat sich für die neue Biathlon-Saison viel vorgenommen. Der 29-Jährige will sich so schnell wie möglich das Olympia-Ticket sichern, außerdem hat er weitere Podest-Platzierungen im Weltcup ins Visier genommen.
Mit sport.de hat der fünfmalige Weltcupsieger exklusiv über die absolvierte Vorbereitung, die eigenen Ansprüche und den Weltcup-Auftakt am kommenden Wochenende im schwedischen Östersund gesprochen. Am 26. November beginnt in Schweden die Saison mit zwei Mixed-Wettbewerben, ehe am 30. November das erste Herren-Einzel des Winters auf dem Programm steht.
Herr Lesser, wie sieht Ihr derzeitiges Training in der heißen Phase der Vorbereitung aus?
Erik Lesser: Ich war zuletzt viel bei uns in Oberhof in der Skihalle, habe da mit meiner Heim-Trainingsgruppe viel auf Ski und auch das Schießen trainiert. Die letzte Phase der Vorbereitung absolvieren wir mit dem kompletten Kader wie schon in den letzten Jahren im norwegischen Sjusjöen.
Zum jetzigen Zeitpunkt: Wie beurteilen Sie Ihre eigene Verfassung? Jetzt, wo es langsam Richtung Weltcupstart in Östersund geht?
Im September hätte ich diese Frage sicher positiv beantwortet. Im Oktober lief es dann nicht so richtig prickelnd. Da konnte ich nicht in den Umfängen laufen, wie ich es eigentlich wollte. Ich habe mich zwei Wochen lang richtig platt gefühlt, da hat mein Körper einfach gestreikt. Wenn man dann nicht mal im Ansatz den Umfang der Konkurrenz absolvieren kann, ist man einfach etwas geknickt. Mittlerweile hat sich das aber wieder gelegt. Ich bin wieder konkurrenzfähig. Es würde sich aber besser anfühlen, wenn ich sagen könnte, dass ich komplett auf gutem Niveau durchtrainiert habe.
Was sind in der letzten Zeit der Vorbereitung jetzt noch die Schwerpunkte?
Das Grundlagen- und Ausdauertraining ist eigentlich soweit abgeschlossen. Jetzt stehen Kraftausdauer-Einheiten eher im Fokus. Das ist wirklich sehr schlauchend. Lauftrainings ohne Beineinsatz oder genau andersrum ohne Armeinsatz standen auf dem Plan. Dann habe ich auch viel im Kraftraum gemacht und Treppenläufe an der Sprungschanze. Es war also wirklich ein sehr kräftezehrendes Programm in den letzten Wochen.
Das waren dann die Trainingsschwerpunkte, die Ihnen als Athlet sicher am wenigsten Spaß machen?
Naja, das Gute daran ist ja: Die Einheiten sind kurz und knackig. Bei schlechtem Wetter zum Beispiel muss ich da nicht allzu lange draußen sein wie bei den Ausdauereinheiten, die dann schon mal etwas langweilig werden können.
In der letzten Novemberwoche geht es mit dem Weltcupstart in Schweden los. Was verbinden Sie selbst mit Östersund, was die sportlichen Resultate in den letzten Jahren angeht?
Die Eindrücke waren fast durchweg positiv. Ich hatte zuletzt nur ein Jahr, in dem es nicht so gut lief, das war 2015. Ansonsten bin ich mal aufs Podium gelaufen und einmal als Gesamtweltcup-Vierter aus Östersund abgereist. Östersund, vor allem der 20-Kilometer-Lauf, tut zwar weh, aber die Ergebnisse haben bis jetzt eigentlich immer gepasst.
Was sind Ihre persönlichen Ziele für die ersten Rennen der Saison 2017/2018?
Was Platzierungen angeht, mache ich mir überhaupt keine konkreten Vorgaben. Ich will jedes Rennen mehr oder weniger abarbeiten, im Laufen eine solide Leistung bringen und am Schießstand das Umsetzen, was ich auch im Training gezeigt habe. Wenn ich eine gute und komplexe Leistung anbiete, können wir gerne schauen, was dann dabei herauskommt. Das klingt vielleicht nicht so richtig leistungsorientiert. Ich tue mich aber immer etwas schwer damit, mir schon vor dem Saisonstart irgendwelche Plätze auszumalen.
Der große Saison-Höhepunkt steht natürlich mit dem Olympischen Spielen im Februar vor der Tür. Wie sehr ist Ihr Weltcup-Jahr auf Pyeongchang ausgerichtet?
Erst mal ist es das Ziel, möglichst schnell die Qualifikationskriterien zu erfüllen (zweimal eine Weltcupplatzierung unter den ersten 15 oder einmal unter den ersten acht, Anm. d. Red.) und bei Olympia dabei zu sein. Wenn ich die Resultate der letzten Jahre zum Vergleich nehme, sollte das nicht das allzu große Problem sein.
Es wird aber auch schon schwer genug werden, sich in der deutschen Mannschaft einen Platz zu erarbeiten. Wir haben einige sehr gute Athleten, die nachrücken, und den vier zuletzt gesetzten Athleten Druck machen. Ich denke da zum Beispiel an Johannes Kühn, der läuferisch schon zu den Top-Athleten im gesamten Weltcup zählt. Ich will mir meinen Platz in der deutschen Mannschaft erkämpfen und erarbeiten, sodass ich im Februar auch bei den meisten Entscheidungen bei Olympia am Start sein kann.
Neben dem Herren-Team hat auch die deutsche Damenmannschaft in der letzten Saison die Nationenwertung gewonnen. Die Verteidigung dieser beiden Titel muss ebenfalls Ziel sein, oder?
Bei den Frauen würde es mich wundern, wenn dieses Ziel nicht erreicht würde. Es wäre sogar eher eine Enttäuschung. Die deutschen Mädels sind schon sehr gut aufgestellt, da bin ich mir sicher. Bei den Männern werden neben uns auch wieder die üblichen Verdächtigen vorne mitlaufen. Aber man muss auch bedenken, dass die Norweger neben uns die einzige Nation sind, die vier Einzelweltmeister an den Start bringen. Mit den Norwegern wird auf jeden Fall wieder zu rechnen sein. Gerade Svendsen, Björndalen und die beiden Bö-Brüder sind immer noch richtig stark.
Bei den Russen gibt es immer einen Shipulin, bei den Franzosen immer einen Fourcade. Es hängt bei denen immer davon ab, was die Jungs hinter den beiden für Leistungen bringen. Insgesamt gehe ich schon davon aus, dass wir wieder eine gute Rolle im Kampf um Platz 1 der Nationenwertung mitspielen können.
Wie präsent ist das Thema Doping im Moment bei Ihnen und generell im Biathlon-Zirkus? Sie haben zuletzt auch mit Ihrer Teilnahme an der "MyMoment"-Kampagne ein Statement gegen Doping gesetzt.
Natürlich gerät das ganze Thema in der wettkampffreien Zeit immer etwas in den Hintergrund. Der internationale Verband berät derzeit aber über härtere Sanktionen gegen Doping-Sünder. Diese Debatte verfolge ich natürlich auch genau. Ich hoffe, dass die IBU da zu einer gerechten Entscheidung kommt, Dopingsündern eine härtere Strafe aufzubürden und auch abschreckend eine bessere Wirkung zu erzielen.
Das Thema Doping ist schon immer irgendwie präsent und ich unterstütze den Kampf gegen Doping gemeinsam mit der NADA-Aktion "MyMoment". Es beschäftigt einen natürlich auch, wie der internationale Verband und das IOC damit umgehen. Aber wir dürfen uns davon auch nicht zu sehr ablenken lassen. Es geht immer noch um das Wesentliche. Und das Wesentliche ist, rauszugehen und zu trainieren und sich bestmöglich vorzubereiten.
Das Interview führte Mats-Yannick Roth

