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Joshua: Geläutert auf dem Weg in den Box-Olymp

Anthony Joshua ist momentan das Maß aller Dinge
Anthony Joshua ist momentan das Maß aller Dinge
Foto: © getty, Stu Forster
29. Oktober 2017, 16:52

Am Samstagabend verteidigte Anthony Joshua durch einen T.K.o.-Sieg gegen Carlos Takam in Cardiff seine WM-Gürtel von WBA und IBF. Der Brite könnte künftig eine neue Ära im Schwergewichtsboxen prägen. Seine Bilanz mit 20 vorzeitigen Siegen in 20 Kämpfen ist mehr als beeindruckend.

"Boxen ist echter Kampf. Es ist nicht Tennis oder Golf. Es ist ein Sport für Gladiatoren. Entweder kämpfst du, oder du gehst unter", sagt Joshua über das Faustwerk, das ihn in kürzester Zeit von einem Jungen, der in London auf die schiefe Bahn zu geraten drohte, zum umjubelten Weltmeister im Schwergewicht gemacht hat.

Dabei ist dem 27-Jährigen seit seinem Debüt als Preisboxer im Jahr 2013 eine wahrhafte Gladiatoren-Schlacht bis zum Elf-Runden-Spektakel gegen Wladimir Klitschko am 29. April 2017 erspart geblieben. Verantwortlich dafür ist Joshuas vernichtende Schlagkraft, die Kämpfe bis aufs Blut mit seinen zuvor 18 Gegnern bisher gar nicht erst zuließ.

Sobald die gewaltigen Haken und Geraden des 1,98 Meter großen und 112 Kilogramm schweren Muskelpakets einschlugen, war das Spektakel auch schon wieder vorbei. Joshuas längstes Gefecht dauerte bis dato sieben Runden, wirklich ins Schwitzen geriet er nicht.

Bei den Olympischen Spielen 2012 in London gewann er im Superschwergewicht die Goldmedaille. Und während die Fachwelt noch über den kontroversen Final-Punktsieg des Lokalmatadoren über den Italiener Roberto Cammarelle stritt, feierte das 'Vereinigte Fäustereich' seinen neuen Ring-Darling.

Seit Frank Bruno hat kein Schwergewicht die boxverrückten Briten dermaßen begeistert wie 'AJ'.

Joshua (l.) feiert mit Lennox Lewis seine Goldmedaille
Joshua (l.) feiert mit Lennox Lewis seine Goldmedaille

Drohender Knast und Gras-Affäre läuterten Joshua

Zwei Jahre vor seinem Gold-Moment sah die Welt für Joshua allerdings ziemlich düster aus. Weil ihn die Bobbies mit mehr als 200 Gramm Marihuana erwischten, wurde er zu zwölf Monaten gemeinnütziger Arbeit verdonnert. "Da habe ich erst gemerkt, wie sehr ich diese Goldmedaille will", erzählte Joshua später. Beinahe riss der Sohn nigerianischer Einwanderer ein, was er sich dank der Kraft seiner Fäuste aufgebaut hatte.

Denn durch den Boxsport war Joshuas Leben überhaupt erst in geregelte Bahnen gelaufen. Bandenkämpfe und "anderes verrücktes Zeug" hätten ihn mit 18 Jahren beinahe ins Kittchen gebracht, verriet Joshua dem "Guardian" im Sommer 2015. Zeitweise durfte der Teenager nur mit einer elektronischen Fußfessel außer Haus. Damals habe er beschlossen, all seine Energie dem Boxen zu widmen und sich zu disziplinieren.

"Ich las und fand heraus, dass viele große Champions wie Joe Louis und Bernard Hopkins sich selbst erzogen haben", beschrieb Joshua den eigenen Züchtigungsprozess. Die Gras-Affäre war sein letzter Ausrutscher. Menschlich geläutert und mental gefestigt, ist Joshua seither ein Muster an Professionalität.

Rechte Gerade garantierte WM-Triumph gegen Martin

Die Schwergewichts-Szene hat der K.o.-Experte in Windeseile durcheinandergewirbelt – auch, weil er mit Promoter Eddie Hearn einen gewieften und äußerst umtriebigen Geschäftspartner an seiner Seite weiß. Schon in seinem 13. Profikampf machte Joshua im Mai 2015 aus dem Amerikaner Kevin Johnson – der 2009 als einer der ganz wenigen mit Vitali Klitschko über die Distanz gegangen war – in nur zwei Runden Kleinholz.

Im nächsten Kampf fällte er den 2,01 Meter großen Schotten Gary Cornish in gerade einmal zwei Minuten und sicherte sich den Commonwealth-Titel des britischen Empire. Es war der Prolog für den ganz großen Triumph, der ein gutes halbes Jahr später, im April 2016, folgen sollte.

Vor 20.000 (freude-)trunkenen Briten in der Londoner O2-Arena schickte Joshua IBF-Weltmeister Charles Martin aus den USA mit einer perfekt getimten rechten Geraden auf den Hosenboden und eroberte im zarten Alter von 26 Jahren einen anerkannten WM-Titel in der Klasse aller Klassen. Dass Martin kaum mehr als die Karikatur eines Schwergewichts-Champions abbildete, darf in der Anthony-Joshua-Story getrost als Fußnote durchgehen.

Der erste WM-Gürtel für Joshua
Der erste WM-Gürtel für Joshua

Der kommende Weltstar des Boxens?

Der Adonis mit dem charmanten Lächeln – das laut Promoter Hearn sämtliche Damen-Herzen schmelzen lässt – gilt vielen Experten als der kommende Weltstar des Boxens. Großbritannien hat Joshua schon erobert, das selbsternannte Schwergewichts-Heimatland USA soll folgen. Mit dem Sender Showtime hat Hearn für seinen Protegé bereits einen lukrativen TV-Partner an der Angel. 

Im Ring erinnert Joshuas expolsiver Stil an den des jungen, aggressiven Wladimir Klitschko, der Anfang der 2000er Jahre in ähnlicher Manier durch die Boxarenen fegte. Mit zur Schau gestellter Überlgenheit, die an Arroganz grenzt, 'stalkt' Joshua seine Gegner im Ring – ähnlich, wie es 'Dr. Steelhammer' in der Frühphase seiner Karriere zu tun pflegte, bevor der Ukrainer unter Trainer-Legende Emanuel Steward zum sicherheitsbetonten Box-Professor wurde.

Ist der Gegenüber erst einmal gestellt, feuert "AJ" aus allen Rohren, wobei die schwere rechte Schlaghand die gefährlichste K.o.-Waffe im Joshua-Arsenal darstellt.

Box-Olymp in Reichweite

"Ich habe viele Boxer kommen und gehen sehen, aber nur einer hatte das Potenzial, ein echter Champion zu werden", hat Klitschko in einem "BBC"-Interview einmal über Anthony Joshua gesagt - und am 29. April die Explosivität des aufstrebenden Engländers zu spüren bekommen.

Mit wiederholten Schlagsalven schickte Joshua seinen Herausforderer in der elften Runde zweimal zu Boden, woraufhin der Ringrichter den Kampf abbrach und Klitschko die schmerzhafte Erkenntnis mitgab, zum Opfer seiner eigenen Prophezeiung geworden zu sein.

Nach elf Runden entzauberte Joshua 
Nach elf Runden entzauberte Joshua "Dr. Steelhammer"

Die jüngste Titelverteidigung gegen Takam war ein weiterer Schritt in die Box-Annalen. Als nächstes könnte jetzt Tyson Fury Bekanntschaft mit der Schlagkraft des 28-Jährigen machen.

Dass Joshuas Weg in den Box-Olymp ausgerechnet gegen den skandalumwitterten Landsmann enden könnte, kann wohl getrost ins Reich der Fabeln verwiesen werden.

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