Die theoretische Prüfung ist bestanden, die Fahrstunden müssen vorerst warten. Schließlich will Tabea Alt bei ihren ersten Kunstturn-Weltmeisterschaften "zeigen, wer ich bin und was ich kann". Typisch für die zielstrebige 17-Jährige, die im Frühjahr mit dem Sieg im Gesamt-Weltcup aufhorchen ließ.
Die 35.000 Euro für die erfolgreiche Terminhatz im Frühjahr füllten der Ludwigsburgerin das Bankkonto, den Lerneffekt gab es gratis dazu. Eine möglicherweise stressbedingte Magen-Darm-Infektion stoppte Alt bei ihren ersten europäischen Titelkämpfen im April im rumänischen Cluj-Napoca, danach ging die DTB-Pokalsiegerin vorzeitig in die Sommerpause.
"Es war absolut notwendig, mal zur Ruhe zu kommen", sagte Alt, eine Einschätzung, die ihre Heimtrainerin Marie-Luise Probst-Hindermann im Interview mit den "Stuttgarter Nachrichten" bestätigte: "Die Pause hat Tabea extrem gut getan. Es ist auch mehr Zeit und Muße für die Schule übrig geblieben. Mit ihren 17 Jahren darf man sie nicht verheizen."
Mehrkampf-Finale als Ziel
Doch der sportliche Druck ist nicht wegzudiskutieren, wenn die Gymnasiastin am Mittwoch (22:00 Uhr) im Olympiastadion von Montreal an die Geräte geht. "Wenn man auf das Podium steigt, ist das ein tolles Gefühl. Man muss aber ganz bei sich bleiben. Den Druck versuche ich in Motivation umzuwandeln", sagte Alt nach dem ersten Training in der Mammut-Arena.
Ihr Mindestziel ist das Erreichen des Mehrkampf-Finales am Freitag (24:00 Uhr), ein Platz in einem Geräte-Endkampf am Wochenende wäre das Sahnehäubchen. Für Bundestrainerin Ulla Koch ist die Schwäbin ein Juwel: "Tabea ist unheimlich überlegt und fokussiert. Ich kann nicht sagen, dass sie an irgendeinem Gerät an ihren Grenzen angekommen ist."
Bei der Frage nach einer Schwäche ihrer Musterschülerin hingegen braucht die Teamchefin ein wenig Bedenkzeit. "Vielleicht ist sie manchmal zu selbstkritisch", formuliert Koch eher zögerlich. Hört sich ziemlich nach Luxusproblem an.