Am kommenden Wochenende fightet die Formel-1-Elite in Malaysia um die WM-Krone. Grund genug, um an den wohl denkwürdigsten Moment des Rennens in Sepang: den Stallorder-Skandal von 2013. Sebastian Vettel stellte seinen Teamkollegen Mark Webber trotz "Multi21"-Befehl bloß.
Mark Webber beschleunigt seinen ausgestreckten linken Mittelfinger auf 250 km/h, doch Sebastian Vettel sieht ihn nicht. Der deutsche Weltmeister ist nach seinem Gaunerstück längst über alle Berge und lässt seinen überrumpelten Red-Bull-Teamkollegen mit der hilflosesten aller Gesten zurück - fassungslos, wütend und frustriert. Beim Großen Preis von Malaysia 2013 schockt der Heppenheimer nicht nur Webber und sein eigenes Team, er löst in der Königsklasse ein echtes Erdbeben aus.
Der "Multi21"-Skandal war der denkwürdigste Moment in der Geschichte des Grand Prix in Sepang, der am Sonntag (9:00 Uhr RTL) zum vorerst letzten Mal Teil des Formel-1-Kalenders sein wird.
Denn "Multi21", Fahrer 2 vor Fahrer 1, diese Anweisung hatte der Red-Bull-Kommandostand in der Schlussphase des Rennens an Vettel gefunkt. Und dabei die Rechnung ohne den verbissen ehrgeizigen Hessen gemacht. Während Webber im Glauben an den sicheren Sieg die Systeme auf Ankommen herunterfährt, bläst Vettel zur Attacke.
Kein Funkspruch ("Das ist dumm") kann ihn stoppen, Webbers kurzer Kampf ist aussichtslos. Vettel siegt - und macht anschließend viel zu lange auf Unschuldslamm. Die lahme Entschuldigung ("Ich habe Mist gebaut") glaubt ihm fast niemand - zu Recht, wie sich später zeigen soll.
Webbers Erkenntnis kommt zu spät
Webber muss sich aber auch an die eigene Nase fassen. Nach der an Zwischenfällen nicht armen Vorgeschichte der beiden Teamrivalen war es einfach naiv zu glauben, Vettel würde sich von einer läppischen "Multi21"-Ansage in die Schranken weisen lassen. "Am Ende hat Seb wieder seine eigene Entscheidung getroffen, wie immer wird er vom Team beschützt werden", weiß Webber nach dem Rennen - zu spät.
Skurrilerweise sorgt Verfolger Mercedes dann auch noch dafür, dass am Ende gleich drei Verlierer auf dem Podium stehen. Denn der damalige Neuzugang Lewis Hamilton bekommt seinen dritten Rang von Teamchef Ross Brawn geschenkt, der den Stallrivalen Nico Rosberg erfolgreich zurückpfeift. "Ich bin viel schneller als er", ist sich Rosberg zwar sicher, doch es nützt nichts. Der Deutsche darf nicht überholen, eine später bereitgestellte Sprit-Spar-Ausrede erweist sich als Luftnummer.
"Merkt euch das", zischt Rosberg bei der Zieldurchfahrt - und stößt damit wie meist in den kommenden Silberpfeil-Jahren auf taube Ohren. Hamilton macht brav seinen Kotau ("Ich muss mich bei Nico bedanken. Er hätte meinen Platz auf dem Podium heute verdient gehabt"), um den Deutschen im anschließenden Krieg der Sterne immer wieder ungestraft zu düpieren und sich 2014 und 2015 zum Champion zu krönen.
Order von Vettels Anwälten
Vettel hat es schon zwei Wochen nach Malaysia nicht mehr nötig, Krokodilstränen zu vergießen. Stattdessen schießt er scharf gegen Webber - und ist sich, wie der Australier später in seiner Autobiographie "Aussie Grit" offenbart, der vollen Rückendeckung des Teams sicher. Rennstallchef Christian Horner hätte einen Brief von Vettels Anwälten erhalten, "in dem es hieß, die Erteilung einer 'unsinnigen Anweisung/Teamorder' stelle einen Vertragsbruch dar". Und damit ist die Sache entschieden - wieder zugunsten von Vettel.
Der legt dann auch entsprechend nach. Er habe den Funkspruch nicht verstanden, aber auch andernfalls hätte Vettel "wohl wieder so gehandelt, weil Mark es wegen Vorkommnissen in der Vergangenheit nicht verdient hat, dass ich als Zweiter durch das Ziel fahre". Von wegen, "ich habe Mist gebaut". Stattdessen: "Ich entschuldige mich nicht dafür, das Rennen gewonnen zu haben."
Und wie man es dreht und wendet, Vettel ist aus besonderem Holz geschnitzt. Mit neun Siegen in den letzten neun Rennen fährt er danach einen triumphalen vierten WM-Titel ein - und schickt Mark Webber in den Königsklassen-Ruhestand.

