Die spielfreie Zeit in der NBA neigt sich dem Ende entgegen. Einen Spannungsabfall hat es in der Offseason dank einiger spektakulärer Personalentscheidungen nicht gegeben. sport.de analysiert und bewertet die vier größten Trades des Sommers.
- Jimmy Butler (Chicago Bulls -> Minnesota Timberwolves)
Was genau hat sich das Front Office der Chicago Bulls eigentlich bei diesem Trade gedacht? Zunächst die Formalia: Im Tausch für Bulls-Guard Jimmy Butler und Justin Patton (Nummer 16 des 2017er Drafts) treten Zach LaVine, Chris Dunn und Lauri Markkanen (Nummer-7-Pick des 2017er Drafts) von den Minnesota Timberwolves den Gang in die Windy City an.
"Das Gesicht einer Franchise zu sein bedeutet einfach nur, dass die Fans deinen Hinterkopf sehen sobald du die Stadt verlässt. Das ist das was ich gelernt habe", zeigte sich Butler gegenüber der "Chicago Tribune" verbittert. Butler wollte nicht weg, Chicago tradete trotzdem - warum eigentlich? Was bekommen die Bulls im Gegenzug?
LaVine zeigte bereits großes Potenzial als Scorer. Ein Playmaker oder Edelverteidiger wird aus ihm vermutlich nicht mehr. Dafür kommt der 22-Jährige mit einem bereits gerissenen Kreuzband. Unklar ist auch, wie Point Guard Dunn dem Team weiterhelfen soll. Magere 3,8 Punkte und 2,4 Assists bei einer Trefferquote von 37,7 Prozent standen 2016/17 zu Buche.
Aus Sicht der Wolves hingegen ist der Trade ein "No-Brainer": Mit 17,5 Millionen US-Dollar Gehalt ist Butler für seine sportlichen Fertigkeiten vergleichsweise günstig. Hinzu kommt, dass Minnesota-Coach Tom Thibodeau den 27-Jährigen aus seinen fünf Jahren in Chicago sehr gut kennt.
Fazit: Klarer Win Timberwolves
- Chris Paul (L.A. Clippers -> Houston Rockets)
Wer wechselt hier wohin? Im Tausch für Chris Paul, der sich den Houston Rockets anschließt, geben die Texaner gleich sieben Spieler in Richtung Los Angeles Clippers ab: Patrick Beverley, Lou Williams, Sam Dekker, Montrezl Harrell, DeAndre Liggins, Darrun Hilliard, Kyle Wiltjer. Als Topping gibt es noch einen Erstrundenpick für den Draft 2018.
Bereits vor einiger Zeit ließ "CP3" das Clippers-Management wissen, dass er die Stadt der Engel in diesem Sommer verlassen wolle. Es machte also Sinn den Superstar via Trade "loszuwerden", statt ihn als Free Agent ziehen zu lassen. Die Rockets konnten den Spielmacher so für vergleichsweise wenig Geld erwerben und nutzten die Gelegenheit, um ein paar Altlasten loszuwerden.
Klarer Win-Win für beide Seiten also? Jein. Während diese Lösung für beide Teams gut war, gehen die Rockets dennoch als klarer Sieger aus diesem Trade hervor. Die Hoffnung von Houstons GM Daryl Morey, dass "ein James Harden und ein Chris Paul auf dem Zenit ihres Schaffens" die Tür zu einer Championship aufstoßen, ist nicht aus der Luft gegriffen.
Fazit: Leichter Vorteil Rockets
- Paul George (Indiana Pacers -> Oklahoma City Thunder)
Auch hier stellt sich die Frage: Was hat sich das Pacers-Front-Office bloß gedacht? Paul George abzugeben schien mittelfristig nicht abzuwenden. Letztlich ist der Deal, auf den man sich in Indiana einließ, dennoch erschreckend einseitig. Für "PG13", der sich den Oklahoma City Thunder anschließt, kommen Victor Oladipo und Domantas Sabonis. Einige Pacers-Fans gingen sogar so weit, den Trade bei der Polizei als Diebstahl zu melden.
Ohne George fehlt Indiana nicht nur ein Superstar und Go-To-Guy in engen Momenten - es fehlt ein Anführer. Jemand, der das Team formen kann. Die Rolle wird ein 25-jähriger Oladipo nicht ausfüllen können. Von einem Sabonis, der sich in seiner ersten NBA-Saison mehr schlecht als recht präsentierte, ganz zu schweigen.
Bei den Thunder hingegen stellt sich die Frage: Wie gut passen Russell Westbrook und George zusammen? Im letzten Jahr betrieb Westbrook "Hero-Ball", der sogar einen Kobe Bryant von 2005/06 teamdienlich aussehen ließe. Eigentlich ist also wenig Raum für einen weiteren Superstar. Eigentlich. Denn George kann sich auch abseits des Balles gut bewegen, trifft sicher von jenseits der Drei-Punkte-Linie (2017: 39,3 Prozent). Und erstmals nicht die vollständige offensive Last seiner Franchise zu schultern, wird dem 27-Jährigen sicher auch gut tun.
Fazit: Klarer Win OKC
- Kyrie Irving (Cleveland Cavaliers -> Boston Celtics)
Es war der Blockbuster-Trade des Sommers: Kyrie Irving verlässt die Cleveland Cavaliers und schließt sich den Boston Celtics an. Im Gegenzug erhält der Champion von 2016 Isaiah Thomas, Jae Crowder, Ante Zizic und einen Erstrundenpick 2018. Dem Deal vorausgegangen war ein wochenlanges köcheln der Gerüchteküche: Streit zwischen Kyrie und LeBron James? Angeblich habe Irving um einen Trade gebeten.
Er hat ihn bekommen. Doch was bedeutet der Trade eigentlich für Kyrie und die Boston Celtics? Endlich hat der 25-Jährige das, was er wollte: sein eigenes Team. Nun steht Irving nicht mehr im Schatten von LeBron James - das hat allerdings auch Nachteile. Wer so dringend seine Chance einfordert, der muss umgehend liefern.
Für die Cavs ergibt sich kurzfristig sogar eine leichte sportliche Verbesserung. Zwar ist Thomas sowohl defensiv als auch offensiv kein hundertprozentiger Irving-Ersatz. Doch gerade Jae Crowder schließt in der Verteidigung eine wichtige Lücke. Und sollte es sich als wahr erweisen, dass James im kommenden Sommer einen Wechsel anstrebt, könnte ein Rebuild eingeleitet werden. Denn: Thomas' Vertrag läuft ebenfalls aus.
Fazit: Beide Teams profitieren
Simon Lürwer