Rhein-Neckar Löwen, THW Kiel oder Flensburg-Handewitt! Das war in den vergangenen Spielzeiten der Handball Bundesliga häufig die Antwort auf die Frage, wer das Meisterschaftsrennen unter sich ausmacht. Doch der Favoritenkreis hat sich erweitert.
Neben den drei Topteams zählen in dieser Saison auch die MT Melsungen, die Füchse Berlin und der SC Magdeburg zum Favoritenkreis. Nicht umsonst prophezeit HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann den "spannendsten Wettbewerb seit Jahren".
Gerade Melsungen wird bei vielen Experten als Geheimtipp gehandelt. Die Hessen haben nach Platz sieben in der vergangenen Saison ordentlich auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Mit Tobias Reichmann von Champions-League-Sieger 2016 KS Kielce, Finn Lemke vom SC Magdeburg und Julius Kühn vom VfL Gummersbach wurden gleich drei Nationalspieler verpflichtet. Mit Lasse Mikkelsen vom dänischen Topklub Skjern Håndbold schloss sich außerdem ein erfahrener Aufbauspieler der MT an.
Trainer Michael Roth gibt sich aber trotz des starken Kaders bescheiden. "Natürlich ist die Erwartungshaltung im Umfeld aufgrund der hochkarätigen Neuzugänge entsprechend gestiegen. Ich denke aber, wir sind gut beraten in diesem ersten Jahr unseres Umbruchs einen Platz unter den Top-Sechs anzupeilen", sagte der Coach.
Füchse schwächeln bei Generalprobe
Ganz so bescheiden sind die Füchse aus Berlin da nicht. Platz vier aus der letzten Saison reicht dem Hauptstadtklub nicht. Mit der Verpflichtung von Nationalspieler Eric Schmidt und Marko Kopljar vom ungarischen Topklub aus Veszprém setzen die Berliner ein deutliches Zeichen.
Weniger eindeutig war hingegen der Auftritt im DHB-Pokal. Gegen Zweitligisten Nordhorn-Lingen schlitterte das Team von Trainer Velimir Petković nur haarscharf an einer riesigen Blamage vorbei und setzte sich erst in der Verlängerung durch.
Dass Berlin sich noch nicht wie ein Spitzenteam gezeigt hat, liegt besonders an der Verletzungsmisere der Hauptstädter. "So eine beschissene Vorbereitung hatte ich noch nie", bilanzierte Linksaußen Bjarki Már Elísson. Sollten die angeschlagenen Spieler aber zum Start wieder fit werden, ist durchaus mit einer Top-3-Platzierung zu rechnen.
Magdeburg will besser sein als letzte Saison
Ähnliche Chancen malt sich auch der SC Magdeburg aus. Dem beste Rückrundenteam der vergangenen Saison ist durchaus zuzutrauen, dass es für die eine oder andere Überraschung sorgt. "Wir wollen besser sein als letzte Saison", sagte SCM-Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt im Interview mit "Sport im Osten". Im Letzten Jahr wurde Platz fünf erreicht.
Dass das Team von Trainer Bennet Wiegert schon jetzt zu den besten drei Mannschaften im deutschen Handball gehört, darf aber gerade vor dem finanziellen Hintergrund angezweifelt werden. "Der nächste logische Schritt ist jetzt die Champions League bis 2020", plant der SCM langfristig.
Kiel bläst zum Angriff
Ganz ohne Gegenwehr wird das etablierte Favoriten-Trio den Titelkampf seinen Konkurrenten allerdings nicht überlassen. Im Gegenteil!
Beim THW Kiel scheint der vor zwei Jahren eingeleitete Umbruch nun abgeschlossen zu sein. "Alfreð will und muss Titel gewinnen. Das ist sein großes Ziel mit dieser neuen THW-Mannschaft", erhöhte Manager Thorsten Storm den Druck auf Trainer Gíslason. Im letzten Jahr konnte der Rekordmeister "nur" den DHB-Pokal gewinnen.
Für den April am Knie operierten Spielmacher Domagoj Duvnjak verpflichteten die Norddeutschen den Slowenen Miha Zarabec - sicherlich eine gute Alternative, aber kein ebenbürtiger Ersatz für Duvnjak. Mit dem Kroaten im Kader wird es allerdings für jedes Team schwer, den neuen THW zu schlagen.
Alle Augen auf den neuen Flensburg-Trainer
Das gilt auch für den amtierenden Meister. Zwar wurde der Stamm der Rhein-Neckar Löwen zusammengehalten, allerdings müssen die Mannheimer das Aufhören von Schlüsselspieler Kim Ekdahl du Rietz kompensieren. Das Loch im linken Rückraum soll Momir Rnić von der MT Melsungen stopfen.
Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen sieht den Druck aber eher bei den Teams aus dem Norden: "Eine dritte Meisterschaft in Folge darf man von uns einfach nicht erwarten". Dass den Mannheimern weiterhin alles zuzutrauen ist, bewiesen sie am Mittwochabend im Supercup-Finale gegen den THW. Die Zebras wurden nach 28:28-Remis in den regulären 60 Minuten mit 4:2 im Siebenmeterwerfen bezwungen. Vor allem die Löwen-Leistungsträger Andy Schmid, Patrick Groetzki und Hendrik Pekeler zeigten sich in guter Frühform.
Ähnlich niedrig wie der amtierende Meister stapelt auch der neue Coach der SG Flensburg-Handewitt, Maik Machulla: "Es ist nicht förderlich, schon jetzt hochtrabende Ziele zu formulieren." Die Nordlichter haben mit Trainer Ljubomir Vranjes und Torgarant Anders Eggert zwei schwerwiegende Abgänge zu verkraften. Der Titel ist genauso möglich wie ein Platz zwischen vier und sechs - es kommt darauf an, wie Trainer und Mannschaft zueinander finden.
Aufsteiger gleich Absteiger?
Der Abstiegskampf wird sich wohl weniger spannend als das Rennen um den Titel gestalten. In der Saison 2017/18 müssen nur zwei Teams den Weg in die zweite Liga antreten.
Wie immer werden es die Aufsteiger besonders schwer haben. Dass Teams wie Gummersbach, Minden, Lemgo oder Stuttgart wie in der vergangene Saison bis zum Ende um den Klassenerhalt kämpfen müssen, scheint recht unwahrscheinlich. Dafür ist die Kluft zwischen erster und zweiter Liga zu groß.
Unter den Aufsteigern aus Ludwigshafen, Hüttenberg und Lübbecke dürfen die Ostwestfalen wohl die besten Karten auf einen Verbleib in der "stärksten Liga der Welt" haben. Mit 13 Punkten Vorsprung in der abgelaufenen Zweitligasaison haben sie gezeigt, dass ihr Abstieg nur ein Ausrutscher war und dass das Team in die Bundesliga gehört.