23 Tage, 23 Geschichten: Der Blick in die Archive der Tour de France offenbart zahlreiche spannende Momente aus 114 Jahren Frankreich-Rundfahrt. Diesmal: Geballte Testosteron-Werte.
20. Juli 2006: "Wenn eine Geschichte zu schön ist, um wahr zu sein", sagte Klaus Angermann, der großartigste aller Tour-Kommentatoren, "dann ist sie in der Regel auch nicht wahr." Und von dort ist es nicht allzu weit bis zu Floyd Landis, dem hanebüchensten in der durchaus reichhaltigen Ahnenreihe der skrupellosen Betrüger der Frankreich-Rundfahrt.
Als Lance Armstrong nach der Tour 2005 vorerst in Rente ging, war Landsmann Landis, lange Zeit sein Edelhelfer, auserkoren, das zweifelhafte Erbe anzutreten. Nun war der damals 30-Jährige, der ein Jahr zuvor bei der Schweizer Equipe Phonak seine erste Kapitäns-Stelle angetreten hatte, sicherlich kein schlechter Radfahrer. Seinem Ex-Chef stand er aber in Sachen überzeugender Manipulations-Methoden in allem nach.
Bei der Tour 2006 wollte Landis gewinnen. Und das schien ihm auch zu gelingen, bis er auf der 16. Etappe fürchterlich einbrach, völlig zerschossen und zehn Minuten hinter dem Dänen Michael Rasmussen, dem wohl zweit offensichtlichsten Betrüger der Tour, ins Ziel kam. Aus dem Gelben Trikot wurde Platz elf im Gesamtklassement. Landis, so dachte man, war erledigt.
Testosteron-Werte überführen Landis
Landis dachte anders. Einen Tag später verabschiedete sich der Amerikaner kurz nach dem Start vom Peloton, fuhr auf der so schweren Bergetappe allem und jedem davon. Im Alleingang. Im Ziel in Morzine hatte er fast sechs Minuten Vorsprung auf den zweitplatzierten Carlos Sastre. Und wer Landis auf dieser Etappe sah, wusste was folgen wurde.
Eine Woche später ergab die Auswertung der Dopingprobe, dass Landis einen Testosteron-Wert hatte, mit dem selbst die gesammelte Stierherde von Pamplona nicht mithalten konnte. Landis erklärte jenen damit, dass er sich am Abend nach seinem Einbruch und vor seinem Alleingang zwei Bier französischer Herstellung und vier Whisky der Marke Jack Daniels zwecks Zerstreuung gegönnt hatte.
Später, als er Armstrong und Co. als Kronzeuge belastete, ruderte Landis kleinlaut zurück. Kein Sportgetränk aus Tennessee sei es gewesen, was ihn so stark gemacht habe, sondern ein am Skrotum angebrachtes Testosteron-Pflaster. Landis verlor seinen Tour-Sieg, ein anderer Bestwert blieb ihm: Trotz der einschlägig bemühten Konkurrenz derer von Festina, US Postal, Gerolsteiner oder Telekom ging Phonak als die größte Betrüger-Truppe des Radsports in die Geschichte ein.





