Cindy Roleder und Pamela Dutkiewicz strahlten nach ihrem historischen Doppelschlag um die Wette. Mit Deutschland-Fahnen um die Schultern versuchten die starken deutschen Hürdensprinterinnen, ihr Erfolgsgeheimnis zu erklären: Gold und Bronze bei einer Hallen-EM. Zuletzt gab es das 1986 - beide Athletinnen waren damals noch gar nicht geboren.
"Wir pushen uns gegenseitig. In den Läufen sind wir Konkurrentinnen, daneben gehen wir gerne zusammen einen Kaffee trinken. Zwischen den Läufen haben wir gequatscht und zusammen gegessen. So muss es sein", sagte Roleder. Sie betonte mit Blick auf den gemeinsamen Erfolg stolz: "Der Hürdensprint ist eine richtig starke Disziplin geworden in Deutschland."
DLV-Girls wollen auch in London glänzen
Das wollen die Sprinterinnen dann auch in der Freiluft-Saison zeigen. Im August steht die WM in London auf dem Programm. "Wir brauchen uns überhaupt nicht zu verstecken. Wir können auch bei einer WM mitmischen - nicht nur in Europa", sagte Roleder.
Unbestritten: Roleder ist Freiluft- und Hallen-Europameisterin, dazu WM-Zweite, Dutkiewicz als Shooting-Star mit einer Saisonbestzeit von 7,79 Sekunden derzeit die Nummer zwei der Welt. Schneller lief nach der Wende keine deutsche Frau über die Hürden. DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska sprach schon nach der Hallen-DM davon, dass beide "in der Hallensaison in die Phalanx der amerikanischen Sprinterinnen" eingedrungen seien. Die US-Sprinterinnen hatten bei Olympia in Rio einen Dreifach-Erfolg gefeiert.
Und Roleder und Dutkiewicz sind nicht alleine: Erstmals seit 31 Jahre stand sogar eine dritte Deutsche in einem EM-Finale in der Halle. Die erst 22 Jahre alte Ricarda Lobe wurde Sechste. Dazu kommt noch Nadine Hildebrand, die verletzungsbedingt die Hallensaison abbrechen musste.
Ein Grund für die Erfolge: Konkurrenz belebt das Geschäft. "Wir trainieren nicht gemeinsam, aber wir pushen uns. Wenn man in einem Land konkurrenzlos ist, dann kann man sich nicht so weiterentwickeln", sagte die 25-jährige Dutkiewicz, die nach dem größten Erfolg ihrer Karriere "überglücklich" war: "Wir respektieren uns und schätzen die Leistung des anderen."
"Cindy hat mentale Grenzen gelöst"
Neben der starken Hürdentechnik kommt auch das inzwischen große Selbstvertrauen bei den Deutschen hinzu. Vor allem das sensationelle WM-Silber Roleders 2015 in Peking ist im Nachhinein weit mehr als "nur" eine Medaille, es war augenscheinlich die Initialzündung für eine ganze Disziplin. "Bevor Cindy das geschafft hat, dachte ich, das ist für eine deutsche Athletin nicht möglich", sagt Dutkiewiczm und Gonschinska ergänzt: "Cindy hat mit ihren Erfolgen mentale Grenzen gelöst."
Natürlich sei auch für sie die WM-Medaille überraschend gewesen, betont Roleder. Das in Peking gewonnene Selbstvertrauen sieht sie als Grundlage für die anschließenden Erfolge, auch die ihrer deutschen Konkurrentinnen - ein Domino-Effekt.
"Das hat mir eine extreme Stärke gegeben, weil ich weiß, dass ich alle schlagen kann. Und wenn ich das weiß, dann weiß das auch Pamela, dann wissen das auch Ricarda (Lobe, d. Red.) und Nadine (Hildebrand). Und auf einmal sind wir alle da und wissen, dass wir da mitrennen können", sagte sie. Der frühere Respekt vor der internationalen Konkurrenz ist abgelegt. Und er soll auch nicht mehr wiederkommen.