Am Ende hilft wohl nur der Tunnelblick. Wenn sich die deutschen Skeletonsportler am Wochenende kopfüber in die Eisrinne stürzen, wenn sie bei der Heim-WM am Königssee um Medaillen kämpfen, dann müssen sie den russischen Doping-Skandal einfach ausblenden. "Sie müssen so tun, als wäre nichts passiert", sagt Bundestrainer Jens Müller im Gespräch mit dem "SID": "Sonst regt man sich fürchterlich darüber auf und kann es doch nicht ändern."
Denn passiert ist in Wahrheit so einiges. Die Berichte über russisches Staatsdoping haben auch den Skeletonsport mit voller Wucht erwischt, die WM wurde daher aus Sotschi nach Bayern verlegt - die verdächtigten Sportler sind am Königssee dennoch am Start. Und sie gehören in Person von Olympiasieger Alexander Tretiakov sogar zu den Favoriten auf die Goldmedaille.
Tretiakov war einer von vier russischen Skeletonsportlern, die der Weltverband IBSF zu Jahresbeginn suspendiert hatte. Der Verband reagierte damit auf die Erkenntnisse des zweiten McLaren-Reports, es geht um manipulierte Dopingproben bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi. Doch nur fünf Tage nach Bekanntwerden der Sperre waren alle Sportler wieder startberechtigt - es fehlten schlicht die Beweise.
Fader Beigeschmack befürchtet
"Letztlich ist es eine rechtliche Frage", sagt Bundestrainer Müller, "die Formulierungen sehen vor, dass positive Proben Voraussetzung für eine Sperre sind. Und die sind eben nicht da, weil sie eventuell verändert worden sind."
Besonders für die deutschen Männer ist das ein großes Thema. Axel Jungk, Christopher Grotheer und Alexander Gassner haben bei der WM durchaus Podestchancen. Gut möglich also, dass für die Deutschen bei einem vierten Platz hinter Tretiakov ein ziemlich fader Beigeschmack bleibt.
Die überlegenen Startzeiten des Russen seien schon jetzt durchaus ein Thema unter seinen Sportlern, sagt Müller, und das ist eine gefährliche Situation. "Wir müssen versuchen, sie zu motivieren, damit keine Resignation entsteht", so der 51-Jährige: "Denn die könnte zu einem massiven Leistungseinbruch führen."
DSV-Starterinnen schielen auf Gold
Bisher habe er so etwas noch nicht festgestellt bei seinen Sportlern. Und es gibt aus deutscher Sicht ja durchaus Gründe, dem WM-Start positiv entgegen zu blicken: So erfolgreich wie derzeit waren die Skeletonis des Bob- und Schlittenverbandes BSD schon eine ganze Weile nicht mehr.
Die Männer dürfen auf Medaillen hoffen, die Frauen stellen sogar zwei Titelanwärterinnen. Weltmeisterin Tina Hermann und Jacqueline Lölling "können die Goldmedaille holen, beide sehe ich auf Augenhöhe", sagt Müller.
Vor allem Lölling beeindruckte in dieser Saison mit "außerordentlichem Fahrgefühl", zwei Weltcupsiegen und der Führung im Gesamtklassement. Es dürften also auch andere Geschichten geschrieben werden bei dieser Heim-WM.
