Der neue Super-G-Weltmeister Erik Guay hat viel durchgemacht. Noch vor eineinhalb Wochen war er in Garmisch-Partenkirchen schwer gestürzt, nun ist er der älteste alpine WM-Goldmedaillengewinner.
Die Zeit hat im Leben von Erik Guay schon immer eine große Rolle gespielt. Nicht nur, weil so wenig wie möglich davon vergehen soll, wenn er in einem Skirennen vom Start bis ins Ziel fährt. "Get it done while you're young", sei sein Lebensmotto, sagt der Kanadier, und frei übersetzt heißt das: Erreiche deine Ziele, so lange du jung bist. Tatsächlich ist Erik Guay das genaue Gegenteil. Er ist der älteste Skirennläufer, der je einen WM-Titel gewann.
Sein erstes Ziel erreichte Erik Guay 2011. Er gewann Gold bei der WM in Garmisch-Partenkirchen - im schon ziemlich reifen Alter von 29 Jahren und sechs Monaten. Es folgten Jahre voller Rückschläge. Bereits 2003 hatte Guay einen Kreuzbandriss erlitten, immer wieder bekam er danach Knieprobleme, die letzte von sechs Operationen erduldete er 2015, dabei wurde im Knie kaputter Knochen durch transplantiertes Material ersetzt.
"Du kommst an den Punkt, wo du sagst: genug ist genug"
"Nach der letzten Operation", berichtete Guay im Dezember, "war ich motiviert, ich wusste, dass ich zurückkommen würde, aber du kommst auch an den Punkt, wo du sagst: genug ist genug." Nein, im Alter von nun mehr als 35 Jahren werde er sich ein weiteres Comeback nicht antun, sollte er sich noch einmal verletzen. "Ich habe nichts mehr zu beweisen", betonte er.
Obwohl: Die Olympischen Spiele 2018, die wolle er schon ganz gerne noch mitnehmen, sagt der erfolgreichste kanadische Ski-Rennläufer. Zumal jetzt, wo er gesund ist. "Ich habe das Gefühl, dass ich wettbewerbsfähig bin, ich habe keine Ausreden mehr", sagte er vor der WM. Seit 2011 sei er nicht wirklich gesund und fit gewesen, jetzt schon.
Mit Handicap an den Start
Viel hätte nicht gefehlt, und Guay hätte keine Chance bekommen, seinen zweiten WM-Titel zu gewinnen, am Mittwoch im Super-G von St. Moritz. Gut eineinhalb Wochen zuvor war er in Garmisch-Partenkirchen mehr als 50 Meter durch die Luft geflogen und schwer gestürzt. "Ich hatte Glück", sagte er. Er kam mit Prellungen davon.
Ein wenig gleicht die Geschichte jener von Hermann Maier 1998 bei Olympia in Nagano: In der Abfahrt flog der "Herminator" damals quer durch die Luft, überschlug sich mehrfach, durchbrach Fangnetze - nur, um drei Tage später Gold im Super-G zu gewinnen. "Das weckt Erinnerungen an den Herminator", sagte Guay nun selbst.
Auf die Frage, was er sich denn von einer guten Fee wünsche, hat Guay einmal geantwortet: "Die Fähigkeit, die Zeit verlangsamen zu können." Das wird ihm auf Dauer nicht gelingen. Aber im Alter von 35 Jahren und 187 Tagen hat er zumindest noch einmal etwas Großes erreicht, obwohl er nicht mehr der Jüngste ist.