Seit rund einem halben Jahr leitet Pep Guardiola die Geschicke bei Manchester City. Nach vier Pleiten in den letzten acht Ligaspielen und vor dem Duell mit Tottenham (am Samstag ab 18:30 Uhr im sport.de-Liveticker) steht der Katalane mehr denn je in der Kritik. Dabei ist der Trainer nicht der Hauptschuldige.
Am Mittwoch ließen die Stars von Manchester City und Pep Guardiola den Stress der letzten Wochen für zwei Stunden hinter sich. Zu seinem 46. Geburtstag lud der Trainer sein Team ins Kino ein. Abschalten, den Druck und die Kritik ausblenden, stattdessen einfach nur Genießen.
Dass die Wahl auf den Film "La La Land" fiel, bringt angesichts der sportlichen Situation der Citizens eine gewisse Ironie mit sich. In dem preisgekrönten Streifen geht es um zwei Träumer, die nach Ruhm, Ehre und Erfolg streben – und dabei einen holprigen Start hinlegen.
Die Parallele zu den Sky Blues ist unverkennbar. Auch sie wollen dorthin zurück, wo sie bis zum November noch waren: an die Spitze. Allein, der Weg dorthin scheint derzeit zu weit.
Schlechteste Abwehr der Top-Teams
Bis Ende Oktober waren die Citizens noch im Soll. 23 von 30 möglichen Punkten, das beste Torverhältnis der Liga, 0,9 Gegentore pro Spiel und Platz eins - Guardiola und sein Team lieferten das ab, was sich Fans und Experten von ihnen erwartet hatten: attraktiven und erfolgreichen Fußball.
Keine drei Monate später hat sich das Blatt gewendet. Vor dem 22. Spieltag sind es zehn Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Chelsea. Das Torverhältnis ist mittlerweile das schlechteste der Top-Mannschaften, die Quote an Gegentoren ist auf 1,23 pro Spiel gestiegen und die Defensive mit 26 Gegentreffern die schwächste der Teams aus dem oberen Tabellendrittel.
Die Talfahrt hat Pep Guardiola dazu veranlasst, die eigenen Titelchancen 17 (!) Spieltage vor Schluss ad acta zu legen.
Kritik an der Taktik nur die halbe Wahrheit
Viele Experten auf der Insel geben dem Trainer die Hauptschuld an der Misere. Seine Taktik passe nicht in die Liga, sei zu riskant und mit seinem Kader nicht umzusetzen, lauten die Argumente der Kritiker.
Ganz von der Hand zu weisen sind diese Punkte nicht - gleichzeitig zeigen sie nur die halbe Wahrheit. Denn am Ende des Tages ist selbst der beste Trainer nur so gut wie das Spielermaterial, das ihm zur Verfügung steht.
Guardiola selbst ist in dieser Beziehung wenig vorzuwerfen. Zu "seinen" Transfers, den Deals, die im Sommer 2016 auf seinen Wunsch hin abgeschlossen wurden, gehören mit John Stones, İlkay Gündoğan, Leroy Sané, Nolito und Claudio Bravo fünf Spieler, die ihren Job bis auf ein paar Ausnahmen solide erfüllen.
Einzig bei Keeper Claudio Bravo müssen Abstriche gemacht werden. Diese Schwachstelle hat aber auch Guardiola mittlerweile erkannt. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.
Begiristains Verfehlungen
Das größte Problem, mit dem sich der 46-Jährige in seinem wohlgemerkt ersten halben Jahr auf der Insel beschäftigen muss, ist vielmehr der Kader, der ihm von seinem guten Freund und Sportdirektor Txiki Begiristain bereitgestellt wurde. Obwohl sich der Transfer von Guardiola zu ManCity über Jahre angedeutet hatte, haben es die Verantwortlichen in Manchester verpasst, eine Mannschaft zusammenzustellen, die Peps Ansprüchen genügt.
Mit einem Durchschnittsalter von über 28 Jahren ist der Kader einer der ältesten der gesamten Liga. Liverpool (25,8), Tottenham (25,2) oder auch Manchester United (26,7) sind in diesem Bereich wortwörtlich Jahre voraus.
Hinzu kommt: Wenn bei City sinnvoll investiert wurde, dann in der Offensive. Das Formen einer "Abwehr für die Zukunft" ist dagegen vernachlässigt worden.
Konkurrenz ist vorbeigezogen
Statt frühzeitig auf junge Abwehrspieler zu bauen, hat die Einkaufspolitik von Begiristain dazu geführt, dass die Defensive nicht nur "überaltert" ist, sondern auch qualitativ zu wünschen lässt.
Pablo Zabaleta (32), Gaël Clichy (31), Aleksandar Kolarov (31), Dauerpatient Vincent Kompany (30), Bacary Sagna (33), Yaya Touré (33) und Co. haben ihre beste Zeit hinter sich und bekommen vor allem gegen Spitzenmannschaften ihre Grenzen aufgezeigt.
Dass City in den letzten Wochen gegen Chelsea (1:3), Liverpool (0:1) und Everton (0:4) verloren hat, ist kein Zufall. Vielmehr ist es auch eine Folge der verfehlten Einkaufspolitik der letzten Jahre.
Die Auswirkungen haben die Citizens schon in den vergangenen Spielzeiten gespürt. 2015 fehlten dem damaligen Meister acht Punkte auf die Tabellenspitze, 2016 waren es gar 15, in diesem Jahr sind es zehn - bis jetzt.
Die Entwicklung lässt nur einen Schluss zu: Die anderen Top-Teams der Liga haben ManCity schlicht überholt. Von Pep Guardiola zu erwarten, dass er den Rückstand innerhalb weniger Monate aufholt, ist vermessen.
Guardiolas Stil ist alternativlos
Die Alternative, seinen Stil zu ändern und so den "Schaden zu begrenzen", ist keine. Schließlich wurde Pep Guardiola auch wegen seines attraktiven und dominanten Stils überhaupt erst zu dem Titelsammler, der er heute ist.
Die zweite Option, den Kader im Winter qualitativ nachzurüsten, fällt aufgrund des fehlenden Spielerangebots ebenfalls aus.
Das einzige, das dem Klub übrig bleibt, ist Geduld bewahren, dem Trainer Zeit geben. Nur so bekommt Guardiola die Möglichkeit, eine Mannschaft nach seinen Wünschen zu formen.
Sollte der Katalane die Zeit bekommen, wird auch das "Projekt Manchester City" nicht irgendwo ins "La La Land", sondern zu einem "Happy End" führen.
Christian Schenzel




























